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Paul Mühsam

Mein Weg zu mir

Aus Tagebüchern

1. Auflage 1992, 268 Seiten, € 17,90. ISBN 3-89191-535-7

 

 

 

 

 

 

Aufzeichnungen aus vierzig Jahren erlebter Zeitgeschichte

Nach alter kabbalistischer Überlieferung musste der jüdische Mann das vierzigste Jahr erreicht haben, bevor er in den Kreis der weisen Kabbalisten aufgenommen wurde. nun war Paul Mühsam, der Görlitzer Anwalt, Dichter und Philosoph zwar kein Mystiker der kabbalistischen Tradition, sondern ein Neu-Humanist und zudem ein Freund der Philosophie des "abtrünnigen" Spinoza, dennoch beginnt seine Tagebuch-Auswahl mit dem vierzigsten Geburtstag, am 17. Juli 1916, also im Stande der "Klarsicht". Die erste Eintragung gilt Wilhelm von Humboldt, doch unbewusst zeichnet Paul Mühsam hier sein Selbstporträt, wie es sich beim Leser bei fortschreitender Lektüre mehr und mehr bestätigt. Und von hier an rollen vier Jahrzehnte Zeitgeschichte vor unseren Augen ab, skizziert von einem Schlesier, der als Jude seine Heimat verlassen musste, herausgegeben und bündig kommentiert von seiner Tochter Else Levi-Mühsam.

Die Tagebücher Paul Mühsams besitzen keinen betont politischen Charakter, das zeitgeschichtliche Kolorit wird erhellt von Beobachtungen, Fragen und Antworten zur europäischen Geistesgeschichte. Von den berühmteren Zeitgenossen, mit denen sich der Verfasser befasst und denen er z.T. persönlich begegnet ist, seien hier nur erwähnt: Else Lasker-Schüler, Max Brod, Hermann Stehr, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann, David Ben-Gurion, Martin Buber und Albert Einstein. Lebendig spiegelt das Tagebuch die Görlitzer Jahre (1905-1933) Mühsams: die Familie, die Freunde und zugleich das Kultur- und Geistesleben der Stadt Jakob Böhmes, mit dem er sich "tief verwandt" fühlt. Diese Jahre sind überhaupt die fruchtbarsten für Paul Mühsams dichterisches Schaffen. Außerdem tritt er als Übersetzer hervor. "Am 16. Oktober 1930 las ich abends in einer gemeinsamen Veranstaltung der Literarischen Gesellschaft und der Gesellschaft für antike Kultur meine Übersetzung von Platons Apologie vor einem begeisterten Publikum. Etwa zweihundert Zuhörer." Erschütternd dann die Eintragung vom 22. März 1933: "Verhaftet... Zug im Gänsemarsch, jeder zwischen zwei bewaffneten SA-Leuten, durch die Stadt... Nachts Nervenschock." Und am 5. Mai 1933: "Der jüdische Friedhof in Zittau zerstört, auch die Grabdenkmäler meiner guten Eltern umgestürzt." - Es folgte kurz entschlossen, aber noch rechtzeitig, die Emigration nach Palästina. Doch der Neubeginn dort war anfangs enttäuschend: "... Die Tage verlaufen einförmig und trostlos..., wehmütig von Erinnerung zehrend." Aber Paul Mühsam richtet sich auf in der "unerschütterlichen Gewissheit", Geborgenheit zu finden in der "absoluten Weisheit und Vollkommenheit des einen Seienden", vertrauen zu dürfen, "dass auch nach dem Tode so mit uns verfahren wird, wie es sein muss" (S. 232).

Man wird nicht immer mit den Gedanken Paul Mühsams übereinstimmen, seiner Deutung der christlichen Religion zum Beispiel wird mancher widersprechen, aber der Leser wird in jedem Falle zum Nachdenken angeregt, wenn nicht gar herausgefordert. Man muss sich seiner Argumentation unwillkürlich stellen. Und schließlich sind diese "Tagebücher" Aufzeichnungen eines Geistigen, der keine "Probleme" anheuert, sondern die augenfälligen einer Lösung zuführt.

Hans Tesch (KK)

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