Jassyer Beiträge zur Germanistik
werden
im Auftrag des Germanistik-Lehrstuhls der
"Alexandru Ioan Cuza"-Universität zu Jassy
im Verlag der "Alexandru Ioan
Cuza"- Universität Jassy
und im Hartung-Gorre Verlag Konstanz
von
Prof. Dr. Andrei Corbea-Hoisie herausgegeben
Band XIX
Andrei Corbea-Hoisie,
Mădălina Diaconu
(Hg.)
Geisteswissenschaften
im Dialog
Deutsch-Rumänisch
/ Rumänisch-Deutsch
1. Auflage Jassy 2016, Konstanz 2016,
282 Seiten, € 39,90.
ISBN 978-3-86628-559-0
Seria Contribuþii ie
ene de germanisticã
este editatã de Catedra de germanisticã a
Universitãþii "Alexandru Ioan
Cuza", Iaºi îngrijitã de Andrei Corbea-Hoisie,
Volumul XIX
Vorwort der Herausgeber
Im Unterschied zur non-verbalen Kunst und Technik bildet die
Sprache das Medium der Wissenschaft, und wiederum anders als in den
Naturwissenschaften, wo sich derselbe Inhalt ohne signifikante Verluste
unterschiedlicher Sprachhüllen, wie auch audiovisueller Mittel bedienen kann,
stellen die natürlichen Sprachen das wesentliche und einzige Medium der
Geisteswissenschaften dar. Daraus ergeben sich spezifische Schwierigkeiten beim
Wissenstransfer von einer Sprache bzw. Kultur in eine andere. Außerdem zeichnen
sich die Geisteswissenschaften, nicht geringer als die Natur- oder
Sozialwissenschaften, durch eine Fachterminologie aus, die erst nach und nach,
in einem langen historischen Prozess, herausgebildet wird. Dieser Prozess kennt
abwechselnde Phasen einer stärkeren bzw. weniger starken Intensität, abhängig
von der internationalen Wissensdynamik im Allgemeinen, aber auch von der Stufe,
auf der sich eine Nationalkultur im Besonderen befindet. So verläuft die
Herausbildung einer fachspezifischen Begrifflichkeit am Beginn einer modernen
Kultur intensiver als sonst, wenn die Kombination zwischen sprachlichen
Anleihen (sog. Fremdwörtern) und dem Austesten des Potentials der natürlichen
Sprache, abstrakte Inhalte zu transportieren, zu massiven Änderungen innerhalb
weniger Jahrzehnte führt. Es ist hier nicht der Platz, um solche Prozesse in
ihrer Komplexität ausführlich zu erörtern, sondern es reicht für unseren Zweck
bloß anzumerken, dass auch die rumänische moderne Kultur solchen
Sprachbildungsoperationen unterzogen wurde. Der Unterschied zu anderen Kulturen
besteht dabei allein in einer gewissen Zeitverschiebung, insofern als die
sprachlichen, wie auch die institutionellen Grundlagen der
Geisteswissenschaften – historisch bedingt – erst im 19. Jahrhundert gelegt
werden konnten. Und dazu haben westliche Modelle – hauptsächlich das
französische, mit dem auch eine Sprachnähe bestand, und das deutsche –
beigetragen.
Rezeption, Übersetzung, Interpretation – das sind die
Schritte, durch welche die junge moderne rumänische Kultur konstituiert wurde.
An diesem Prozess waren wesentlich junge Wissenschaftler beteiligt, die in
Frankreich, Deutschland oder im Habsburgerreich (später in Österreich-Ungarn)
studiert haben und nach ihrer Rückkehr in die rumänischen Fürstentümer, nach
Siebenbürgen, ins Banat oder in die Bukowina (ab der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ins Königreich Rumänien, nach 1918 nach Großrumänien) eine überaus
rege kulturelle und wissenschaftliche Tätigkeit entwickelt haben. So haben sie
akademische und wissenschaftliche Institutionen wie die Universitäten oder die
Rumänische Akademie ins Leben gerufen, wissenschaftliche Übersetzungen selbst
getätigt oder angeregt und sich nicht zuletzt mit westlichen Denkströmungen –
wohlgemerkt auf Rumänisch und vor allem im 19. Jahrhundert explizit zum Wohl
des rumänischen Volks – auseinandergesetzt.
Dabei galt die Suprematie des französischen Kulturmodells in
Rumänien lange Zeit als unumstritten. Das mag zwar für die Literatur, die Kunst
und den Lebensstil gelten wie auch in der politischen Geschichte, wo Lucian
Boias rezenter Hinweis auf ein Lager der „Germanophilen“ vielen immer noch als
ein Tabubruch gilt, ist aber weniger deutlich für die Sozial- und
Geisteswissenschaften festzustellen. Ein Versuch, französische und
deutsch-österreichische kulturelle Einflüsse durch derzeit so beliebte
Quantifizierungsmethoden miteinander zu vergleichen und gegeneinander
aufzurechnen, wäre aber, wenn nicht aussichtslos, zumindest sinnlos. Doch waren
rumänische Intellektuelle bestrebt, diese Einflüsse qualitativ miteinander zu
vergleichen, um etwa zu schlussfolgern, wie der „germanophile“ Nichifor Crainic, dass die
französische Kultur in der rumänischen eine bloße Nachahmung auslöse, während
die deutschsprachige Kultur eher „katalysierend“ wirke, insofern sie die
rumänische Kultur zur Selbstfindung anrege. Tatsache ist jedenfalls, dass
vielen an deutschen und österreichischen Universitäten ausgebildeten
Geisteswissenschaftlern wesentliche Beiträge zur Entstehung und Entwicklung
einer Wissenschaftslandschaft in Rumänien zu verdanken sind; dies anhand ausgewählter
Beispiele zu zeigen und argumentieren, steht im Mittelpunkt des vorliegenden
Sammelbandes.
Wir haben uns vorgenommen, dieses komplexe Phänomen des
geisteswissenschaftlichen Kulturtransfers (der in einem viel kleineren Maß und
mit geringeren Folgen auch umgekehrt – vom rumänischen Kulturraum in Richtung
Deutschlands und Österreichs – zu verzeichnen ist) von drei verschiedenen
Standpunkten aus zu behandeln: 1. aus kulturgeschichtlicher Perspektive (Übersetzungskulturen), indem Fallstudien sich mit der Auswirkung
verschiedenartiger Formen des Transfers (und hauptsächlich der Übersetzungen)
auf das geistige Leben in der rumänischen Gesellschaft entlang ihrer Geschichte
beschäftigen – von der Bildung des philosophischen Wortschatzes bis zu der Gestaltung
von Übersetzungstraditionen und -schulen; 2. von der Translationswissenschaft
ausgehend (Übersetzen), deren analytischen Methoden die Wege (oder Irrwege), wie
auch die Bedingungen der Übertragung solcher Texte von einer Sprache in die
andere rekonstruieren können; 3. aufgrund der individuellen Erfahrung von
ÜbersetzerInnen (Übersetzer), die die zahlreichen Dilemmata ihrer unmittelbaren
Auseinandersetzung mit Texten, und darin mit semantischen Feldern von
Schlüsselausdrücken, mit Begrifflichkeiten, mit Stilen, mit kulturellen
Horizontdifferenzen darlegen. Die Zusammensetzung des auf diese Weise
entstandenen Bandes erhebt keinen Anspruch, die Materie vollständig
auszuschöpfen: sie soll lediglich deren Ausbreitung und Vielschichtigkeit, wie
auch den überragenden kulturwissenschaftlichen Einsatz andeuten.
Das Interview mit Professor Mircea
Flonta, der auch als Übersetzer Kants und
Wittgensteins bekannt ist und ganze Generationen von Philosophieabsolventen an
der Universität Bukarest ausgebildet hat, die beachtenswerte Dokumentation über
die politisch-propagandistische Indienstnahme der Übersetzungspraxis (mit Bezug
auch auf Rumänien) im Dritten Reich, Rezensionen und die übliche
Miscellanea-Rubrik ergänzen dieses von deutsch-, englisch- und französischschreibenden
rumänischen und österreichischen ForscherInnen (PhilosophInnen, PhilologInnen, HistorikerInnen und letztendlich ÜbersetzerInnen) getragene
Unterfangen. Für deren Bereitschaft mitzumachen, bedanken wir uns herzlich.
Ebenfalls bedanken wir uns bei dem Österreichischen Kulturforum in Bukarest,
dessen großzügige Unterstützung (auch diesmal) die Erscheinung des vorliegenden
Bandes ermöglicht hat.
Mădălina Diaconu, Andrei Corbea-Hoisie
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort der Herausgeber
I.
Übersetzungskulturen:
EMANUELA TIMOTIN, ANDREI TIMOTIN
(Bucharest) A less known 18th-Century Romanian Translation of a German
Universal History;
IOAN OPREA (Jassy)
German Philosophy and the Modernization of Romanians;
GEORGE
BONDOR (Jassy) Modèles de pensée dans la philosophie roumaine. Interférences roumaino-allemandes;
MĂDĂLINA
DIACONU (Wien), MARIN DIACONU (Bukarest) Kant in der rumänischen Kultur;
IOAN ALEXANDRU TOFAN (Jassy)
Le texte hégélien et ses traductions.
Sur la splendeur et l’échec de la réception;
ALEX CISTELECAN (Cluj)
The Dialectics of Enlightenment in Romanian
Post-communist Publishing Practices;
II.
Übersetzen:
GABRIEL
H. DECUBLE (Bukarest) Ex nihilo aliquid.
„Angenehme Befremdung” und Metasprachlichkeit in rumänischen Übersetzungen aus
Werken Meister Eckharts;
ION
TANASESCU (Bukarest) „Intentionale Inexistenz” und „Beziehung auf einen
Inhalt“. Bemerkungen zur Übersetzung von Brentanos psychologischer Terminologie
ins Rumänische;
MAGDA JEANRENAUD (Jassy)
Sur les bénéfices du comparatisme
dans la critique des traductions
ou pourquoi il faut retraduire Freud en roumain;
ELISABETH
BERGER (Wien) „Die Metapher ist die Dichtung selbst“ - Tudor Vianus Metapherntheorie in deutscher Übersetzung;
GABRIEL
KOHN (Temesvar) Wie Scherben. Zur Beschaffenheit der
rumänischen Benjamin-Übersetzungen;
HANS
NEUMANN (Jassy) Walter Benjamins Ursprung des deutschen Trauerspiels. Die „Erkenntniskritische
Vorrede“ in rumänischer Übersetzung;
III.
Kon-Texte:
MADALINA
DIACONU (Wien) „Eine Übersetzung ist keine Kopie, sondern ein Porträt.“ Mircea
Flonta im Interview mit Mădălina Diaconu;
IV.
Übersetzer:
RADU
GABRIEL PARVU (Pitești) Mein Zusammenleben mit
Arthur Schopenhauer;
RAINER
SCHUBERT (Wien) Lucian Blagas Philosophie ins
Deutsche übersetzen. Erfahrungsbericht eines österreichischen Übersetzers;
CHRISTIAN
FERENCZ-FLATZ (Bukarest) Zur Übersetzung von Sprachsituationen;
GABRIEL
CERCEL (Freiburg i.
Br. / Bukarest) Übersetzen als hermeneutische
Grenzerfahrung. Gadamers Wahrheit und Methode auf Rumänisch;
ROMANIŢA CONSTANTINESCU (Heidelberg / Bukarest) Lesen und Übersetzen – ein Annäherungsversuch. Marginalien zu Walter Benjamin und Wolfgang Iser;
V.
Dokumente:
LARISA
SCHIPPEL, JULIA RICHTER (Wien) „Nur für
den Dienstgebrauch!“ Der Übersetzungsdienst Wien und die Funktion der
Übersetzung;
VI.
Miscellanea:
RAMONA
TRUFIN (Konstanz /
Jassy) Paul Celan und Tudor Arghezi:
Generationen- und grenzübergreifende Begegnungen in der literarischen Moderne;
VII. Rezensionen:
ANA-MARIA PĂLIMARIU (Jassy) Doris Bachmann-Medick (Hg.), The
Trans/National Study of Culture. A Translational Perspective
– Concepts for the Study of Culture, Band 4. (Berlin/Boston: Verlag Walter de Gruyter 2014);
DRAGOS CARASEVICI (Jassy) Anthony Pym:
Exploring Translation Theories (2. Auflage, London und New York: Routledge
2014);
ALEXANDRA
CHIRIAC (Jassy) Sophie Scherl:
Die deutsche Übersetzungskultur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Meta Forkel-Liebeskind und ihre Übersetzung der Rights of Man. (Frank &Timme.
Verlag für wissenschaftliche Literatur, 2014);
ANA-MARIA PALIMARIU (Jassy) Anna Babka / Axel Dunker (Hgg.), Postkoloniale Lektüren. Perspektivierungen deutschsprachiger Literatur (Reihe Postkoloniale Studien in der Germanistik 4, herausgegeben von: Gabriele Dürbeck und Axel Dunker).
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