Hartung-Gorre Verlag
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Selma Kahn
Der Weg ins Dritte Reich
Ein autobiographischer
Roman
1.
Auflage 2002, 246 Seiten, € 24,50, ISBN 3-89649-760-X
Andrea Hammel
Erfahrung und Erinnerung
Auszug aus der ausführlichen
Einleitung
Selma Kahn,
geborene Gottlieb, wurde am 23. Oktober 1888 in Berlichingen
(im nördlichen Baden-Württemberg) geboren und starb am 20. Februar 1982 in
Neustadt an der Weinstraße. Aus diesen Fakten könnte man auf einen geographisch, kulturell und sozial gradlinigen Lebenslauf
schließen, doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Das Leben von Selma
Kahn und ihrer Familie war, wie das Tausender anderer deutscher Juden, geprägt
von sozialem Ausschluß, Emigration und kulturellen
Veränderungen, die alle durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933
in Gang gesetzt worden waren.
Der Weg ins
Dritte Reich beinhaltet
Aspekte didaktischer Literatur, er ist ein sogenannter Deutschlandroman, der
die Außenwelt über die Entwicklungen im nationalsozialistischen
Deutschland aufklären will. Selma Kahn schafft es, die sozialpsychologische
Entwicklung der provinziellen Durchschnittsbürger, deren Mitläufertum und die
aufkommende Massenhysterie sehr hautnah darzustellen. Sie benutzt den Dialog
als stilistisches Mittel, um die Gedankengänge der Protagonisten darzustellen,
die oft weniger mit Politik als mit Eigennutz zu tun haben. Der Weg ins
Dritte Reich zeigt deutlich, wie sich NS-Ideologie im provinziellen Leben
breitmacht. Sowohl der Einfluß außenstehender
Agitatoren als auch die Verbreitung der Propaganda zwischen verschiedenen
Mitgliedern der Gemeinde werden deutlich. Dieser provinzielle Rahmen macht den
Roman zu einer seltenen Quelle, denn die Mehrheit der Deutschland-Romane
spielt im urbanen Milieu. Selma Kahn ist viel daran gelegen, die Position
assimilierter gläubiger Juden darzustellen, die große Stücke auf die deutsche
Kultur und die deutsche öffentliche Ordnung hielten. Dies führt zu einem
stellenweise sehr überschwenglichen nationalistischen
Diskurs, der auf den heutigen Leser befremdlich wirkt. Doch muß
man sich die Lage von Familien wie der Kahns vor Augen halten: Die rapide
Verschlechterung ihrer sozialen und ökonomischen Integration muß auf sie wie ein böser Traum gewirkt haben, den man zu
erklären versuchte.
Selma Kahn's Werk ist ausschließlich in deutscher Sprache.
Besonders ihr frühes Werk ist von umgangssprachlicher Ausdrucksweise und der
südfränkischen Mundart geprägt. Die Tatsache, daß der
Autor und Freund Franz Kafkas, Max Brod, die Sprache des Romans Der Weg ins
Dritte Reich kommentierte, zeigt, daß Kahn die
Texte wahrscheinlich doch verschiedenen Verlegern und Experten vorgelegt haben muß. Max Brod schrieb:
"Das
Buch ist gerade stilistisch besonders gut. Es dürfte nicht ins Buch-Deutsch geglättet werden, sondern müßte
seine dialektische Eigenart, seine Provinzialismen, die noch nicht im
Schriftdeutsch rezipiert sind, durchwegs behalten."
University of Sussex, Centre for German-Jewish
Studies,
Brighton, 18.
Dezember 2001
Weiterhin aktuell sind die folgenden
von Erhard Roy Wiehn herausgegebenen Titel:
Literarisierte jüdische Biografien und Familiengeschichten
Zum Inhaltsverzeichnis
der Edition / to the contents of the edition Shoáh & Judaica /
Jewish Studies
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