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Konstanzer Schriften zur Rechtswissenschaft Band 232

Sabine Häfele

Rechtsschutz gegen Nacheilemaßnahmen
schweizerischer Polizisten
auf deutschem Hoheitsgebiet

2007, XVI, 330 Seiten; € 49,80. ISBN 3-86628-170-6

 

Einleitung

Seit Beginn der neunziger Jahre hat Handeln ausländischer Staatsgewalt auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erheblich an Bedeutung gewonnen. Bis dahin war solches Handeln lediglich im NATO-Truppenstatut samt seinen Zusatzvereinbarungen und in den Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit ihren Nachbarstaaten über die Erleichterung der Grenzabfertigung2 vorgesehen. Mit dem Abschluss des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) fiel der Startschuss für zahlreiche bilaterale Verträge auf dem Gebiet des Polizeirechts, in denen Deutschland ausländischer Staatsgewalt erlaubte, in Deutschland hoheitlich tätig zu werden. Erst jüngst schloss Deutschland entsprechende Verträge mit Österreich und mit den Niederlanden. Einer dieser bilateralen polizeilichen Verträge ist der Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit vom 27. April 1999 (CH-D PV). Er nimmt eine Sonderrolle gegenüber allen bis dahin geschlossenen Verträgen ein. Denn er begründete weitreichendere Befugnisse für ausländische Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet als jeder andere völkerrechtliche Vertrag zuvor. Insbesondere wählte er Kooperationsformen, die das SDÜ noch nicht vorsah, z.B. den Einsatz verdeckter Ermittler zur Aufklärung von Straftaten (Art. 17 CH-D PV) und zur Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung (Art. 18 CH-D PV).

Eine dieser weitreichenden Befugnisse für schweizerische Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet ist die Befugnis zur Nacheile, d. h. zur Verfolgung eines Flüchtigen auf fremdes Hoheitsgebiet. Sie war zwar als solche nicht neu – es gab sie auch schon im SDÜ. Im CH-D PV bekam sie aber eine neue Intensität. Während die Nacheile aufgrund des SDÜ zwischen vielen Vertragsstaaten des SDÜ noch erheblich eingeschränkt ist, fielen diese Einschränkungen im CH-D PV nahezu weg. So ist die Nacheile z.B. im CH-D PV ohne zeitliche Begrenzung und nur mit geringen räumlichen Einschränkungen zulässig. Die nacheilenden Beamten haben ferner das Recht, den Verfolgten festzuhalten, was nach Frankreich nacheilende Beamten bis heute nicht dürfen. Aufgrund dieser weitreichenden Kooperation wurde der schweizerisch-deutsche Polizeivertrag als Vorbild für die künftige EU-interne Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit gesehen.

 

Ziel der Untersuchung

Im Rahmen der Nacheile haben die nacheilenden schweizerischen Beamten weitreichende Befugnisse: Sie dürfen eine Person auf deutsches Staatsgebiet verfolgen, sie dort festhalten, bis die zuständigen deutschen Polizisten vor Ort sind, sie einer Sicherheitsdurchsuchung unterziehen etc. Bei diesem Handeln können (Grund-) Rechte verletzt werden, in erster Linie des Verfolgten, aber auch eines Dritten, z.B. wenn die nacheilenden Beamten bei der Nacheile zu Unrecht sein Grundstück betreten (vgl. Art. 16 IV Nr. 5 i. V. mit Art. 14 III Nr. 5 S. 1 CH-D PV). Würden deutsche Polizisten in Deutschland durch entsprechende Maßnahmen Grundrechte beeinträchtigen, stünde den Grundrechtsträgern gegen diese Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt der Rechtsweg offen, vgl. Art. 19 IV GG. Handeln dagegen schweizerische Polizisten in Deutschland, so erhält der Betroffene möglicherweise keinen Rechtsschutz vor deutschen Gerichten. Denn die schweizerischen Polizisten handeln möglicherweise im Namen der Schweizerischen Eidgenossenschaft bzw. eines schweizerischen Kantons, d.h. eines Hoheitsträgers, der nach dem Grundsatz der Staatenimmunität möglicherweise von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist. Zudem könnte es deutschen Gerichten an der internationalen Zuständigkeit fehlen. Die Literatur sieht einen etwa fehlenden Rechtsschutz gegen Maßnahmen ausländischer Hoheitsträger auf deutschem Staatsgebiet überwiegend als unproblematisch an: Es gäbe schließlich genügenden Rechtsschutz bei den nationalen Gerichten des anderen Staates, die das Handeln ihrer Organe am eigenen Recht und am deutschen Recht messen müssten. Die vorliegende Untersuchung will klären, wie der Rechtsschutz gegen Nacheilemaßnahmen schweizerischer Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet aussieht und ob dieser Rechtsschutz ein „genügender“ ist, wie dies die Literatur formuliert.

 

Gang der Untersuchung

Damit die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Nacheilemaßnahmen schweizerischer Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet untersucht werden können, wird zunächst dargestellt, wie die Nacheile nach dem CH-D PV ausgestaltet ist. Es wird insbesondere geklärt, unter welchen Voraussetzungen nachgeeilt werden kann, was die nacheilenden Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet tun dürfen und welche Rolle den deutschen Polizisten im Rahmen der Nacheile zukommt (Kapitel 1). Dann wird dargestellt, welchen Rechtsschutz der Bürger bei deutschen Gerichten bekommt, wenn er von Nacheilemaßnahmen schweizerischer Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet und von Maßnahmen deutscher Polizisten im Rahmen der Nacheile betroffen ist (Kapitel 2). Anschließend wird gezeigt, ob diese Rechtsschutzsituation bei deutschen Gerichten mit der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 IV GG vereinbar ist (Kapitel 3). Dazu wird unter anderem untersucht, welchen Rechtsschutz der Bürger bei schweizerischen Gerichten bekommt, wenn er von Nacheilemaßnahmen schweizerischer Polizisten auf deutschem Hoheitsgebiet betroffen ist (Kapitel 4).

 

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Reihe: konstanzer schriften zur rechtswissenschaft

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