Hartung-Gorre Verlag
Inh.: Dr.
Renate Gorre D-78465
Konstanz Fon: +49 (0)7533 97227 Fax: +49 (0)7533
97228 www.hartung-gorre.de |
S
|
Gabriel H. Decuble
Die hagiographische
Konvention.
Zur
Konstituierung der Legende als literarische Gattung.
Unter besonderer Berücksichtigung der Alexius-Legende
1.
Aufl. 2002. 250 Seiten; € 29,00; ISBN 978-3-89649-779-6
Zusammenfassung
Auf die Pflichtübung eines historischen
Überblicks der bisherigen Legendenforschung glaubt die vorliegende Arbeit
deswegen verzichten zu dürfen, weil sie auf die typologische
Klassifizierung der wichtigsten Forschungslinien einen besonderen Wert legt.
Dabei wird zwischen epistemologischen und persuasiven interpretatorischen
Modellen unterschieden. Gerechtfertigt ist die Demarche dadurch, dass das
Anknüpfen an den aktuellsten Forschungsstand einer terminologischen
Klärung der zumeist pauschal benutzten Begriffe Legende, Vita, Historia,
Hagiographie bedarf. So weise der Sammelbegriff Legende der kritischen
Analyse zufolge auf ein Aufeinander von diachronisch verketteten Formen und ein
Nebeneinander von synchronisch parallel existierenden Typen (Märtyrer- und
Bekennergeschichten, Translationen, Inventionen usw.) zugleich hin.
Das zweite Kapitel geht von
den in Legendenprologen erklärten Absichten der Hagiographen aus, die gemeinhin
als Gattungsvoraussetzungen gelten, und versucht, ein der Legende
zugrundeliegendes Gerüst poetischer Konstanten auszumachen. Im Vergleich zu
früheren Forschern (Jolles, Schulmeister, Ringler) hält der vorliegende Beitrag
die Intentionen der aedificatio und imitatio zwar für notwendig
für die Entstehung von Legenden, nicht aber auch für ausreichend. Vielmehr wird
auf die Notwendigkeit hingewiesen, die poetischen Intentionen auch mit
pragmatischen Aspekten (imitabile und aedificator) in Verbindung
zu setzen, damit die erstrebte Funktionshypothese zu beiden Momenten der
Produktion und Rezeption definiert werden kann. Die Einheit dieser Momente
sieht der Verfasser mal in der Praxis der ‘literarischen Wallfahrt’, mal im
literarästhetischen Ziel eines ‘transzendenten Säkulums’ bestätigt. Da aber der
Übergang von Intention über Praxis bis hin zum Ziel der Gattung der poetischen
Kohäsion zuliebe ungebrochen erfolgen muss, wird die definierte
Funktionshypothese als ‘hagiographische Konvention’ bezeichnet: Dementsprechend
konstituiere sich die Gattung ‘Legende’ immer auf der Grundlage von
festgelegten, zwar nicht notwendigerweise in der einschlägigen Variante
ausgedrückten, indes im Bewusstsein von Autor und Publikum immer
mitschwingenden Regeln, Kriterien und Prizipien. In den folgenden Kapiteln wird
versucht, die Bewährungskraft dieser Funktionshypothese historisch, formal und
struktural zu überprüfen.
Das 3. Kapitel wird der
Untersuchung der historischen Konstituierung der Alexius-Motivik gewidmet.
Infolge der Analyse eines rigoros aufgestellten Materials werden Hinweise auf
Ursprung und Entwicklung des Stoffs gegeben: So bestehe die ursprüngliche
Legende aus einem mit kargen biographischen Zügen versehenen Erzählrahmen, den
die späteren Bearbeiter mit hauptsächlich panegyrischen Topoi bereichern. Da
aber die Typenvarianz innerhalb der Überlieferung unvermeidlich zur Polymorphie
führt, kann die diachrone Untersuchung die Gattungshaftigkeit der
Textgruppe nicht erschöpfend beschreiben.
Gerade aus diesem Grund wird
das 4. Kapitel auf eine detailreiche, synchrone Analyse eines der
Varianz Rechnung tragenden Auswahlcorpus von 15 lateinischen, altfranzösischen
und mittelhochdeutschen Fassungen der Alexius-Legende gemünzt. Dabei wird der
Stoff auf Grund eines sich zum Strukturalismus bekennenden Verfahrens in
kleinsten Elementen auseinander genommen, die als narrative bzw. rhetorische
Sinneinheiten zu verstehen und nicht mit ‘literarischen Motiven’ zu verwechseln
sind. Die ausgewählten Varianten der Alexius-Legende bilden einen virtuellen
Matrixtext, auf Grund dessen das narrative Grundgerüst der Legende infolge der
Abhebung sogenannter Konsensstellen von der übrigen textuellen Masse umrissen
werden kann. Das ‘Drei-Phasen-Schema’, das aus der Kombinatorik von epischen
Nexus resultiert, wird erneut überpüft, indem die formalen, gattungsbedingten
Rekurrenzen vom textuellen Gut der Legende beseitigt, während die strukturalen,
gattungsbedingenden Elemente beibehalten werden. Im Unterkapitel
‘Handlungstruktur und Hagiographem’ wird versucht, Anhaltspunkte für die
Beschreibung einer allgemeingültigen Struktur der Gattung Legende zu gewinnen.
Da aber das jeweilige individuelle "Markenzeichen" einer Legende sich
vor allem innerhalb der Legendarsystematik in die allzu unpräzise
Allgemeinheit der Gattung auflöst, wird es als notwendig betrachtet, dass ein
Identitätsfaktor der jeweiligen Legende bzw. Heiligenfigur, den der Verfasser Hagiographem
nennt, ausgemacht wird.
Nun müssen Gültigkeitsbereich
und –dauer der zuvor definierten ‘hagiographischen Konvention’ präzisiert
werden: Deswegen versucht der Verfasser im 5. Kapitel ausgehend von weiteren
legendenhaften Stoffen bzw. von romanhaften, dramatischen und märchenhaften
Bearbeitungen der Alexius-Literatur zu zeigen, inwieweit das eingangs
konzipierte poetische Paradigma stoffwandelresistent ist. An den einzelnen
Beispielen von Legenden, die als Quellstoff von ‘gattungszentrifugalen’
Bearbeitungen fungieren – >Gregorius<, >Eustachius<,
>Alexius< –, werden gegen fremde Gattungsmerkmale jeweils eingetauschte
Elemente als Teile der ‘hagiographischen Konvention’ interpretiert, deren
‘Störung’ unmittelbar zum Übergang in eine andere Gattung führt. Schließlich
weist der Autor auch auf die Tendenz zur allegorischen bzw. symbolischen
Darstellung im Falle der modernen, ästhetisierenden Bearbeitungen des
Alexiusstoffs hin, und folgert, dass das früher invozierte Hagiographem ein
Analogon zu solchen Verfahren darstellen müsse.
Die Schlussfolgerungen nehmen
die separaten Erkenntnisse der vorherigen Kapitel synthetisch wieder auf und
betonen, dass eine sinnvolle Theorie der mittelalterlichen Legende nur
innerhalb einer sich erst in der neuesten Forschung langsam anbahnenden
‘Kontextualisierung’ der Legende, welche Poetik und Pragmatik der Gattung
gleichberechtigt behandelt, stattfinden könne. Die vorliegende Arbeit versteht
sich eben als Beitrag zu einem solchen Unternehmen.
Beachten Sie
bitte auch den folgenden Titel:
Martina
Hornung
Der heilige Tod
Legendenproduktion in der modernen deutschen
Künstlerbiographie von 1805 bis 2005.
Fallstudien zu Schiller, Goethe und Heine
1. Aufl.
2011, 436 Seiten; € 49,80.
ISBN 978-3-86628-372-5
Buchtitel und Reihen zum Thema Germanistik
Buchbestellungen in Ihrer Buchhandlung
oder direkt:
Hartung-Gorre Verlag // D-78465 Konstanz // Germany
Telefon: +49 (0) 7533 97227 //
Telefax: +49 (0) 7533 97228
eMail:
verlag@hartung-gorre.de