Hartung-Gorre Verlag
Inh.: Dr.
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Neuerscheinung 2019
Baruch
Milch
Ist der Himmel leer?
In
Galizien durch die Hölle des NS-Terrors und
ein neues
Leben in Israel 1907-1989
Aus dem
Englischen von Ingeborg Prior,
sowie
von Mirjam Wiehn und Erhard Roy Wiehn
Herausgegeben
von Erhard Roy Wiehn
2019,
242 Seiten, € 24,80.
ISBN
978-3-86628-628-3
Aus dem Vorwort von Ella Milch-Sheriff
Das
Tagebuch meines Vaters
Oppeln (polnisch: Opole)
im Jahr 1946. Mein Vater Baruch Milch war bekannt unter dem Namen Dr. Jan
Zielinski, meine Mutter Lusia nannte sich Jadwiga. Er
war Direktor des städtischen Krankenhauses von Oppeln, er hatte diese fiktiven
Namen wegen zunehmender antisemitischer Zwischenfälle gewählt. Doch die
Gerüchte über den jüdischen Arzt nahmen zu, und eines Tages erhielt er einen
Brief, der von den "Nationalen Streitkräften" (NSZ) unterschrieben
war und in dem er aufgefordert wurde, Oppeln sofort zu verlassen – weil er Jude
sei. Sie wollten ihn nicht verletzen, schrieben sie, denn sie seien sich dessen
bewusst, wie viel er für die Polen getan habe. Mein Vater beschloss, Polen
zusammen mit seiner im achten Monat schwangeren Frau und deren Familie sofort
zu verlassen.
Weil er in Sorge vor einer
ungewissen Zukunft war, überließ er sein 1600 Seiten umfassendes Tagebuch dem
Jüdischen Historischen Komitee in Warschau, aus dem später das Jüdische
Historische Institut (JHI) entstand.
Jahre später, als er
bereits in Israel lebte, versuchte er, sein Tagebuch zurückzubekommen, doch er
verlor die Hoffnung, es eines Tages wieder in seinen Händen zu halten. Gegen
Ende seines Lebens beschloss er, alle seine Erinnerungen erneut aufzuschreiben.
In diesen Erinnerungen, die zeigen, wie klar sein Verstand und wie gut sein
Gedächtnis noch immer waren, schrieb er auch über die
Zeit nach der Befreiung und über die ersten Jahre in Israel.
Einen Satz wiederholt er
in seinen "israelischen" Erinnerungen aus dem ursprünglichen
Tagebuch, den er schrieb, bevor er Polen verließ, und später auch in seinem
letzten Willen: "Die Welt soll erfahren, was mir und meiner Familie und
meinen Freunden und vielen, vielen anderen Menschen angetan wurde." Und
weiter: "Alles was ich möchte ist, falls diese Notizen in die Hände
eines anständigen Menschen gelangen, dass er alles hinzufügt, was für ihn
wichtig ist, und es möglich macht, diese Ereignisse der Welt mitzuteilen. Es
ist schwer zu glauben, dass die Gräueltaten, die ich beschreibe, sich wirklich
ereigneten. Deshalb schwöre ich, dass jedes Wort der Wahrheit entspricht."
Ich bin heute sehr glücklich,
dass mir mit Vaters Tagebuch ein so großer Schatz in den Schoß gefallen war.
Damals aber spürte ich nur die schwere Bürde auf meinen Schultern, eine stolze
Israelin, die nichts von dieser dunklen Vergangenheit hören und wissen wollte.
…
Als wir es gelesen hatten,
wussten wir, warum meine Schwester und ich auf diese Weise aufgewachsen waren.
Warum unser Vater der Mann war, der er war. Das Puzzle setzte sich Stein für
Stein zusammen.
Auf der Grundlage von Vaters
Aufzeichnungen Can heaven be
void (Jerusalem 1999) komponierte ich zunächst die
2003 uraufgeführte Kantate Ist der Himmel leer? und veröffentlichte (mit
Ingeborg Prior) 2008 das Buch Ein Lied für meinen Vater. Das Staatstheater
Braunschweig erteile mir daraufhin einen Kompositionsauftrag für eine
Kammeroper, die mit dem Libretto von Yael Ronen 2010 unter dem deutschen Titel
Baruchs Schweigen uraufgeführt wurde. Anschließend wurde die Geschichte meines
Vaters an vielen Orten aufgeführt, und ich hatte somit seinen größten Wunsch
erfüllt, die Erinnerung lebendig zu halten und seine Geschichte weiterzuvermitteln.
Der Spielfilm Past Life unter der Regie von Avi Nesher, einem der besten Regisseure Israels, erzählt
ebenfalls die Geschichte von Baruch Milch und seinen Töchtern und wurde an
zahlreichen Orten gezeigt.*
Die Gespräche mit meinem Vater,
die erst kurz vor seinem Tod begannen, wurden immer intensiver. Ich beschloss,
sein Tagebuch nach Israel zurückzuholen, was er sich so sehr wünschte. Als er
sich entschieden hatte, nach Israel zu emigrieren, hatte er gehofft, dass auch
sein Tagebuch hierher käme. Er wollte, dass seine Familie, seine Kinder und
Enkel diese qualvollen Seiten sehen und berühren konnten, die er mit Blut und
Tränen geschrieben hatte. Es gelang mir nicht.
Die polnischen Behörden hatten
sich konsequent geweigert, mir das zurückzugeben, was mir als einzigem Menschen
gehört, nachdem meine Schwester Shosh Avigal 2003 im Alter von 56 Jahren und meine Mutter 2008
mit 88 Jahren verstorben waren.
Es fällt mir schwer, diese
Entscheidung zu akzeptieren, aber ich verstehe, dass das Tagebuch als seltenes authentisches
Dokument die Geschichte der polnischen Juden für künftige Generationen lebendig
erhält.
Kleine Besprechung in KALONYMOS, Beiträge zur
deutsch-jüdischen Geschichte aus dem Salomon Ludwig Steinheim-Institut an der
Universität Duisburg-Essen, 2019 Heft 2
Die durchlittenen
Greueltaten des NS-Terrors, durch die er seine Frau
und seinen kleinen Sohn verliert, hält Baruch Milch in seinem 1600 Seiten
umfassenden Tagebuch fest. Als man ihn 1946 - er war inzwischen Direktor des
städtischen Krankenhauses in Oppeln (poln. Opale)
geworden - der Stadt verweist, weil er Jude ist, überlässt er seine
Aufzeichnungen aus Sorge vor der ungewissen Zukunft dem Jüdisch Historischen
Institut in Warschau und geht mit seiner zweiten Frau nach Israel.
Das Tagebuch hat er nie
zurückerhalten. Darum beschließt er gegen Ende seines Lebens, alle Erinnerungen
erneut aufzuschreiben, denn: "Die Welt soll erfahren, was mir und meiner
Familie und meinen Freunden und vielen, vielen anderen Menschen angetan wurde."
Diesem "letzten Willen" Milchs ist in
mehrfacher und eindrücklicher Weise vor allem durch die Tochter, einer Komponistin,
entsprochen worden, so mit ihrer Kantate "Ist der Himmel leer?"
(2003), der Buchveröffentlichung "Ein Lied für meinen Vater" (2008),
der Kammeroper "Baruchs Schweigen" (2010) und dem Film "Past Live" des israelischen Regisseurs Avi Nesher.
„Was aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen Bibliotheken
der Welt aufgehoben ist, wird vielleicht nicht so schnell vergessen.“ (Erhard
Roy Wiehn)
Jüdische
Überlebens- und Nichtüberlebensschicksale aus Polen
herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
Inhaltsverzeichnis / to the contents of Shoáh & Judaica / Jewish
Studies
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