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Neuerscheinung November 2017

 

 

 

Titus Milech

 

Tatort Familie

 

Eine Analyse schriftlicher Dokumente zur Frage

wie der Holocaust und andere deutsche Gräueltaten

möglich waren

 

Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn

1. Auflage 2021; 308 Seiten, EUR 29,80.

ISBN 978-3-86628-724-2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Nachwort des Herausgebers Erhard Roy Wiehn

 

Und so wurde es möglich

Nachwort mit Textauszügen als Einführung

 

In unserer Edition Schoáh & Judaica haben wir seit 1984 vor allem Schriften zur Schoáh veröffentlich: Überlebens- und Nichtüberlebensberichte, weil wir den Opfern ihre Stimme zurückgeben wollten. Damit versuchten und versuchen wir, so gut wie möglich dem gerecht zu werden, was Dr. med. Titus Milech in seiner ersten Schrift in unserer Edition Tatort Deutschland* fordert: "Das Mindeste, wozu wir bereit sein sollten, ist, sehr aufmerksam zuzuhören, was diejenigen zu sagen haben, denen auf Grund des deutschen Wahns die schrecklichsten Leiden widerfahren sind."

*

Dr. Titus Milechs Tatort Familie ist die zweite Publikation des französischen Psychiaters deutscher Herkunft, der lange in Marseille praktizierte und seit einigen Jahren in Griechenland lebt. Und Tatort Familie sollte vielleicht sogar vor Tatort Deutschland gelesen werden, weil Familie ein gewisser dunkler, unheimlicher Unter-Grund für Deutschland darstellt, obgleich Deutschland im Sinne von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auch Familie prägt.

    In Tatort Familie liefert der Autor als erfahrener Psychiater eine Art empirische Analyse von Tagebüchern und Briefen für das, was er "deutsche Wahnkrankheit" nennt, und er kommt zu dem beklemmenden Schluss: "Solche geistigen Mängel und seelische Spannungen können es auch heute wieder möglich machen."

    Wie Tatort Deutschland ist auch Tatort Familie eine der aufrichtigsten, persönlichsten, schärfsten, schonungslosesten Selbst- und zugleich deutschen Gesellschafts-Analysen, die aus dem Leiden an Deutschland, der deutschen Geschichte und Gesellschaft entstand.

    "Auch die hier vorliegende Veröffentlichung ist im Wesentlichen als ein Beitrag zur Erarbeitung der Fragen 'wie war der Judenmord möglich und was war danach?' zu verstehen. Unvermeidlich führt jede Selbstanalyse in die Geschichte der eigenen Familie, in meinem Fall, eine ziemlich unscheinbare 'normale' Familie, die jedoch (zumindest für mich) in ihrem Untergrund tragische, um nicht zu sagen gefahrvolle, Züge aufweist."

    "Der erste Teil [von Tatort Familie] besteht aus dem was vor meiner Geburt und bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr (1932-1964) bereits 'geschrieben stand'. Der zweite [Teil] enthält eine ebenfalls sehr gekürzte Auswahl dessen, was mir - oder von mir geschrieben wurde, vor allem Briefe und persönliche Aufzeichnungen aus der Zeitspanne von 1954 bis 2007.

   Im letzten Abschnitt, den 'Schlussfolgerungen', versuche ich darzustellen, wie anscheinend belanglose 'Schwächen' Einzelner, völlig eingebürgerte Selbstverständlichkeiten einer Volksgemeinschaft und eine in der 'deutschen Kultur' tief verankerte, seelische Unselbständigkeit, auch solche Menschen zu Mitschuldigen werden lassen, die niemals Böses erdacht, geschweige denn getan haben. Mitschuldige von Verbrechen eines Ausmaßes, das sich gänzlich ihrer bewussten Einbildungskraft entzog."

    Besonders stark erscheint folgende Selbstanalyse: "Wen oder was verkörpert nun der 'Erbprinz' Titus IV.? Das spätere Bekenntnis der unbewussten Reue, Scham und Schuldigkeit seiner Mutter und deren Eltern? Den verlassenen 'Stammhalter' seines Vaters? Auf alle Fälle ist er 'aus Versehen' erzeugt.

    Wäre Titus IV., der als kleines Kind gewaltsam aus den Armen seiner Mutter gerissen werden muss, 25 Jahre früher geboren und wären ihm sein verletztes und gekränktes Innenleben verschlossen geblieben, hätte er sehr wahrscheinlich seine enttäuschte Kinderliebe mit Leidenschaft auf sein Vaterland übertragen. Er hätte überdies alle 'gute Gründe' gefunden, der SS beizutreten, um sich begeistert an der Befreiung seiner Heimat von allen 'gefährlichen Fremden' willig zu beteiligen. Von der Genugtuung, sich endlich an Schwächeren rächen zu können, gar nicht zu sprechen ... So hätte auch ich es möglich machen können."

 

 „Was aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen Bibliotheken der Welt aufgehoben ist, wird vielleicht nicht so schnell vergessen.“ (Erhard Roy Wiehn)

 

 

 

Titus Milech

Tatort Deutschland

Meine unheimliche Heimat

Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn

1. Auflage 2017; 174 Seiten, EUR 19,80.

ISBN 978-3-86628-602-3

 

 

 

 

 

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* Titus Milech, Tatort Deutschland – Meine unheimliche Heimat. Konstanz 2017, S. 11.