Hartung-Gorre Verlag
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Oktober 2007
Olga Horak,
Von Auschwitz nach Australien.
Erinnerungen einer Holocaust-Überlebenden
an ihre Kindheit in Bratislava,
die Deportation nach Auschwitz,
den Todesmarsch von Kurzbach nach Dresden
und an die Befreiung in Bergen-Belsen.
Aus dem Englischen
übersetzt von Gudrun Piater
Oktober 2007; 130
Seiten; € 12,80 ISBN 3-86628-163-3
Olga Horak, geborene Rosenberger, war erst
siebzehn Jahre alt, als im August 1944 deutsche Truppen in der Slowakei
einmarschierten. Familie Rosenberger kann sich kurzfristig verstecken, dann
gerät sie in die Fänge der Nazis. Deportiert nach Auschwitz, abgeschoben nach
Trachenberg, den Todesmarsch von Kurzbach nach Dresden überlebt, danach
schlimmste Monate in Bergen-Belsen: Olga und ihre Mutter waren nur noch Haut
und Knochen, als britische Truppen am 15. April 1945 sie und die Mitgefangenen
befreiten. Am selben Tag starb Olgas Mutter, Piroška Rosenberger.
Seelischer
Schmerz und körperliche Gebrechen ließen Olga nur langsam genesen, aber
schließlich kehrte sie nach Bratislava zurück, um ihre wenigen überlebenden
Verwandten und Freunde zu suchen. Dort traf sie John Horak, der ebenfalls den
Holocaust überlebt hatte. Sie verliebten sich, heirateten und wanderten nach
Australien aus, um ein neues Leben zu beginnen.
Von
Auschwitz nach Australien ist ein Zeitzeugnis über einen der
schlimmsten Abschnitte der Geschichte, ein Bericht über menschliche
Grausamkeit, Gier und über schwerste Verluste, aber auch über Liebe, Mitgefühl
und seelische Stärke.
In der Ausgabe 2/2008 von Medaon
online ist in der Rubrik "Rezension" eine Rezension des
Lebensberichtes von Olga Horak.
(siehe http://www.medaon.de/pdf/R-Lorenz.pdf)
Nach Lektüre dieser Besprechung hat Olga Horak
einige Korrekturen daran vorgenommen, die im Abdruck weiter unten erkennbar
eingefügt worden sind. (Hartung-Gorre Verlag)
Alexander Lorenz: Besprechnung in
Heft 2 | 2008 © Medaon – www.medaon.de
Nachdruck nur mit Genehmigung von Medaon erlaubt 2
Nach
Lektüre dieser Besprechung hat Olga Horak einige Korrekturen daran vorgenommen,
die hier erkennbar eingefügt worden sind. (Hartung-Gorre Verlag)
Im
Laufe der Zeit wird es immer dringlicher, die Berichte der Shoa-Überlebenden
schriftlich niederzulegen. Die Zeit macht vor den letzten lebenden Erniedrigten
nicht halt, die Verbindungen der nachkommenden Generationen zu den
Geschehnissen dieser Epoche werden folglich immer schwächer. Nach wie vor sind
die Zeugnisse und Berichte der Shoa-Überlebenden eine der wichtigsten Quellen
für unsere Kenntnis und für unser Verständnis über eben jenes singuläre
Menschheitsverbrechens. Eine solche ist auch das hier liegende Zeugnis von Olga
Horak.
Olga
Horaks Odyssee, geborene Rosenberger, beginnt mit Ausbruch des Zweiten
Weltkrieges. Es ist ihr 13. Lebensjahr. Die politische Ausgangssituation in der
Slowakei bildet die hlinkafaschistische und antijüdische Regierung Titos (Korrektur von Olga
Horak: „Tisos“), die seit den
Jahren 1940/41 auch die »Nürnberger Rassengesetze« in ihrer Justiz verankert
hat. Mit der Unterstützung und Direktion Berlins beginnen ab 1941 die ersten
Deportationen slowakischer Jüdinnen und Juden in Richtung der Konzentrations-
und Vernichtungslager. Die Familie Rosenberg ist in der Landeshauptstadt
Bratislava von Anfang an durch die staatlichen Repressionen und der daraus
resultierenden Verschlechterung der Lebenssituation betroffen. Olgas Schwester
Judith sowie mehrere Cousinen und Cousins sind unter den ersten Jugendlichen,
die aus der Slowakei deportiert werden. Unter dem zunehmenden Druck beschließen
die Eltern 1942 ins benachbarte Ungarn zu entfliehen. Ein Jahr lang gelingt es
ihnen, unerkannt und mit Hilfe Bekannter in der
Illegalität zu leben und sich in Budapest zu verstecken. Mit dem Einmarsch der
Wehrmacht und der Kollaborationsregierung unter Döme Sztójay verschlimmert sich
die Situation der dort lebenden jüdischen Bevölkerung. Häufiges Wechseln des
Wohnortes sowie die permanente Angst vor Hausdurchsuchungen bestimmten das
tägliche Geschehen. Da sich ihre Lage von Tag zu Tag verschlechterte,
entscheiden die Eltern im Frühjahr 1944, nach Bratislava zurückzukehren, da sie
sich im vertrauten Umfeld bessere Überlebenschancen erhoffen. Doch sollte nicht
einmal ein halbes Jahr bis zur Denunziation ihres Verstecks im August 1944
vergehen. Von da an folgen die Stationen Schlag auf Schlag. Vom zum Sammellager
umfunktionierten Barockschloß Sered führt die Deportation im Viehwaggon der
Deutschen Reichsbahn zur Rampe jenes Vernichtungslagers, dessen Name symbolisch
für die Millionenfache Ermordung des europäischen Judentums steht – Auschwitz.
Nach der Entscheidung des »Todesengels« Josef Mengele, sie nicht unmittelbar in
den Tod zu schicken, wird der siebzehnjährigen Olga bewusst, was sich die
Organisatoren der Shoa unter »Vernichtung durch Arbeit« vorstellen. Einziger
emotionaler Rückhalt in dieser ganzen Zeit ist die Anwesenheit der Mutter. Mit
der sowjetischen Winteroffensive und dem daraus resultierenden Heranrücken der
Roten Armee beginnt die Kommandantur nach und nach, das Lager zu evakuieren.
Nach mehreren Wochen Auschwitz beginnt für Olga, ihre Mutter und andere
Häftlinge Ende Oktober 1944 der Todesmarsch in Richtung Deutsches Reichsgebiet
mit dem Ziel Bergen-Belsen. Von Trachenberg zu Fuß über Landstraßen und
Nebenwege nach Kurzbach. (Korrektur von
Olga Horak: „Es gab keinen Todesmarsch von Auschwitz nach Kurzbach. Wir wurden
mit dem Zug transportiert (Viehwagen). Der Todesmarsch war von Kurzbach nach
Dresden. Von dort in offenen Waggons nach Bergen Belsen“) Zum physischen
und psychischen Terror der SS kommt der strenge Winter 1944-45 dazu, der sich
als einer der härtesten des vergangen Jahrhunderts herausstellen sollte. Unter
all diesen Strapazen müssen die gefangenen Frauen bis zu letzt auf längeren
Zwischenstationen in Konzentrationslagern bzw. Außenlagern Zwangsarbeit
verrichten. Als in der Ferne schon die Artillerie der sowjetischen Truppen zu
hören ist, zieht die Kolonne weiter über das Konzentrationslager Groß-Rosen und
erreicht im Januar/Februar per Bahn die Stadt Dresden, wo sie auf dem
Verschiebebahnhof Dresden-Friedrichstadt auf einen Zug getrieben werden. Sowie
dieser sich in Bewegung setzt und den Dresdner Hauptbahnhof erreicht, beginnt die
Bombardierung der Stadt durch britisch-amerikanische Luftverbände.
Dieser Absatz ist für
den lokalen Bezug von besonderem Interesse. Ob es sich bei diesem Ereignis
tatsächlich um das Bombardement vom 13. Februar 1945 handelt oder es einer der
vorherigen Angriffe war, ist nicht geklärt. (Korrektur
von Olga Horak: „Der Luftangriff in Dresden fand im Januar 1945 statt, während
ich in den Waggons war, um nach Bergen Belsen gebracht zu werden. Es war
eindeutig nicht Februar 1945.) Die Wortwahl in dieser Passage läßt deutlich
die Reichweite der transnationalen Rezeption dieses Ereignisses erkennen.
Problematische Erzählelemente der unmittelbar einsetzenden
nationalsozialistischen Propaganda und deren nahezu ungebrochenen
Fortschreibung in den postnationalsozialistischen deutschen Gesellschaften
werden auch von Olga Horak aufgegriffen und prägen teilweise ihren Blick auf
diesen Tag in der späteren fernen Heimat Australien. Angaben wie: „60 000
Tote“, „mit Flüchtigen voll gestopft“ und „Monsterangriffe“ sind Beispiele für
die auf Mythen und Superlative gestützte „Karriere“ der Erinnerung der
Luftangriffes. Abweichend von der in Deutschland dominanten Wertung dieses
Ereignisses empfindet Olga Horak den Luftangriff als Moment der Befreiung: „Sie [die durch den Bombensplitter
verwundeten Häftlinge in den Waggons] starben in dem Bewusstsein, dass die
Nazis so gut wie besiegt waren. Wir schauten zu, mit Tränen in den Augen, in
der Erkenntnis, dass wir vielleicht doch noch überleben könnten. Für uns war
dies ein Zeichen der Hoffnung.“ (vgl. S. 62).
Die eigentliche Befreiung der Protagonistin ließ noch weitere
Monate auf sich warten. Unbeschädigt setzt der Zug seine Fahrt über Weimar,
Halle und Hannover fort und erreicht das Konzentrationslager Bergen-Belsen
inmitten der Lüneburger Heide. In den Wochen vor der Befreiung verfielen Olga
Horak und ihre Mutter zusehends körperlich und geistig (Korrektur von Olga
Horak: „nur körperlich“). Faktisch mit ihrem Leben abgeschlossen, warteten sie nur
auf den Zeitpunkt, an dem ihr Leiden endlich ein unsägliches Ende nehmen würde.
Am 15. April 1945 endete ihr Martyrium der direkten Bedrohung
mit der Befreiung des Konzentrationslagers durch die britischen Streitkräfte
des 63. Panzerabwehrregiments. Doch von Jubel oder Freudenstürmen bei Olga
Horak keine Spur. Der Tag der Befreiung ist durch den Tod der Mutter
überschattet. Wie konnte sie sich auch befreit fühlen, wenn ehemalige SS-Ärzte,
Menschen, die bis vor wenigen Tagen sie noch spüren ließen, was es heißt
„minderwertig“ zu sein, sich auf Anweisung der Briten nun plötzlich um ihr
Wohlergehen sorgen sollten: „Dieselben Männer, die sich noch vor so kurzer
Zeit wie wilde Tiere benahmen und ihre Freude daran hatten, mich zu quälen und
zu demütigen, mussten uns nun aus der Krankenstation holen, unsere ehemaligen
Folterknechte mussten uns in den Zug hineinhelfen. Ich war zu schwach, um mich
zu wehren oder irgendetwas zu sagen. Als sie höflich und nett zu mir sprachen,
konnte ich nichts erwidern. O, wie sich die Welt verändert, und o, wie sehr
stank ihr Mitgefühl nach Heuchelei!“ (vgl. S. 75)
Körperlich geschwächt wird sie nach Beendigung des Krieges
und der kompletten Auflösung des DP-Lagers mit einem Lazarettzug ins
Militärkrankenhaus (Korrektur von Olga Horak: „Es handelte sich um das staatliche
Krankenhaus.“) ins
tschechische Plzeň transportiert. Dort begannen langsam die körperlichen
Wunden zu genesen; die seelischen aber blieben. Im selben Krankenhaus lernt sie
Bozena Bendová kennen. Es entsteht eine enge Freundschaft und Bozena nimmt Olga
Horak mit zu sich nach Hause. Mitte September 1945 tritt Olga Horak ihre Fahrt
nach Bratislava an, um nach ihren Familienangehörigen zu suchen. Vergeblich,
denn die Shoa überlebten nur wenige der weitverzweigten Familie, und zur großen
Enttäuschung wenden ehemalige Freunde sich von ihr ab. Inmitten aller
Rückschläge lernt sie im Bratislava der unmittelbaren Nachkriegszeit John Horak
kennen. Beide heiraten am 9. Februar 1947 und fassen den Entschluss, Europa
endgültig den Rücken zu kehren. Zehn Jahre nach Ausbruch des Krieges betritt
das junge Paar am 16. September 1949 australischen Boden.
Über die Jahre konnten Olga und ihr Gatte John in den
australischen Gewohnheiten Fuß fassen und ein „normales“ Leben aufbauen. Heute
ist Olga Horak Designerin, zweifache Mutter und ein aktives Mitglied der
jüdischen Gemeinde in Sydney. Die schrecklichen
Erinnerungen an die Zeit der Terrors und der Vernichtung beschäftigen sie nach
wie vor. Das Loch im Herzen, das durch den Verlust der Mutter entstand, konnte
sie nie ganz schließen.
Diese Autobiografie
ist mehr als die umfassende Darstellung eines Einzelschicksals. Durch seine
Direktheit und die sachliche Darstellung der Erlebnisse, die auf emotionale
Aufwühlung von Details als auch auf Anklagen und Vorwürfe verzichtet, entsteht
der Eindruck einer neutralen Berichtserstattung, die nur wenig belletristische
Einschläge vorweist. Die plastische Annäherung an die historischen Ereignisse,
die in diesem Fall untrennbar mit den persönlichen Erfahrungen verbunden sind,
macht „Von Auschwitz nach Australien“ gerade für die junge Lesegeneration
empfehlenswert. Inhaltlich ergänzt wird das Buch durch einen
familienhistorischen Abriss der Familie Rosenberger, sowie durch einen
Überblick über die slowakische Geschichte.
Aus
Heft 2 | 2008 © Medaon – www.medaon.de
Nachdruck nur mit Genehmigung von Medaon erlaubt
Weitere
Titel zu Überlebensschicksalen aus Tschechien und der Slowakei
„Was aufgeschrieben, veröffentlicht und
in einigen Bibliotheken der Welt aufgehoben ist, wird vielleicht nicht so
schnell vergessen.“ (Erhard
Roy Wiehn)
Zum Inhaltsverzeichnis / to the
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