Hartung-Gorre Verlag Inh.: Dr. Renate Gorre D-78465 Konstanz Fon:
+49 (0)7533 97227 Fax: +49 (0)7533 97228 www.hartung-gorre.de |
S |
Neuerscheinung März 2013
Raluca Rădulescu
Untersuchungen zu deutschsprachigen
südosteuropäischen Autoren
mit Migrationshintergrund
Konstanz 2013; 226
Seiten, EUR 39,80.
ISBN 978-3-86628-440-1
Aus
der Einleitung:
Die vorliegende Arbeit nimmt sich vor,
terminologische sowie methodologische Probleme im Umgang mit der
„deutschsprachigen Literatur der Autoren mit Migrationshintergrund“ zu
signalieren. Inwieweit diese Literatur eine besondere Aufmerksamkeit und eigene
Wertungsmaßstäbe benötigt und ob eine kontextangemessene Kanonisierung im Zeitalter
der Globalisierungs- und Transkulturalitätsprozesse möglich ist, sind Fragen,
die sich anhand monomischer Kategorien nicht mehr beantworten lassen. Deswegen
haben wir es für angebracht gehalten, an kulturwissenschaftliche Theorien
anzuknüpfen, die sich symbiotisch auf die Erkenntnisse der Narratologie
auswirken und zusammen ein fruchtbares methodologisches Instrumentarium
ergeben.
Literatur wird heutzutage immer mehr
„als Teil kultureller Diskurse und Kontexte“ betrachtet, man zielt auf eine
Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft ab: „literarische Texte sind
Medien kultureller Selbstauslegung“ und gehören zur
„Selbstbeschreibungsdimension einer Gesellschaft“1 im Sinne der
Metapher von „Kultur als Text“.2 Die den Nachbarwissenschaften
entlehnten Forschungsmodelle finden auf dem Gebiet der „deutschsprachigen
Literatur der Autoren mit Migrationshintergrund“ eine besondere Anwendung, weil
ihre Rezeption mit dem Entstehungskontext eng verbunden ist und sie eine kontextualisierte Wertungsästhetik beanspruchen.3
In den Vordergrund des Forschungsinteresses rückt über die Literarizität der
Texte hinaus das Zusammenwirken von paraliterarischen und außerliterarischen
Anregungsfaktoren und Auswirkungen, wie z.B. der der
deutschsprachigen Literatur der Autoren mit Migrationshintergrund innewohnende
interkulturelle Potential, der politischwirtschaftliche und soziale
Zusammenhang, die gesellschaftliche Beteiligung und die kritische
Stellungnahme.4
Die Untersuchung besteht aus zwei
Teilen, einem theoretischen und einem textanalytischen. Die erste Einheit
schafft einen Überblick über begriffliche und deutungsspezifische
Auseinandersetzungen, wobei den Autoren gemeinsame soziokulturell gesteuerte
Hintergründe bei der Identitätsbildung anerkannt werden, die den Einsatz wiederkehrender
Verfahren bei der literarischen Inszenierung erklären.
Im zweiten Teil befassen wir uns mit
sieben deutschsprachigen Autoren aus Südosteuropa, deren fiktionale Erzähltexte
exemplarisch interpretiert werden. Über den interreferenziellen Bezugsrahmen
hinaus, der Konzepte wie Identität, Alterität, Transkulturalität usw. in ihrer gegenseitigen Durchdringung
bevorzugt, gilt das Augenmerk den auf dieser Grundlage entstandenen
gattungstypologischen literarischen Erscheinungen. Am Literaturmedium lassen
sich Fiktionalisierungen eines breiten Spektrums von Identitätsentwürfen
entdecken, die die Vielseitigkeit des Phänomens „Deutschsprachige Literatur der
Autoren mit Migrationshintergrund“ sichtbar machen.
Bei den untersuchten
südosteuropäischen Autoren ist die Vorliebe für ein bestimmtes Themenrepertoire
festzustellen. Ihr Hauptanliegen ist die Fiktionalisierung des Verhältnisses
zwischen der alten, in der Heimat entwickelten, und der neuen, im Aufnahmeland,
Exil oder in der Fremde erworbenen Identität. Aus diesem Grunde war uns
wichtig, den Entstehungszusammenhängen und verschiedenen Schattierungen bei den
Identitätsaneignungs- und -bildungsprozessen nachzugehen. Das Zusammenspiel oft
gegensätzlicher Behauptungsstrategien individueller sowie kollektiver
Identitätsmuster lässt ein buntes Panoptikum sozialer, politischer und
wirtschaftlicher Verhältnisse erahnen, auf deren Grundlage Begebenheiten der
Gegenwartsgeschichte literarisch inszeniert werden. Bei allen sieben Autoren
stellen politische Ereignisse, wie der Fall des Kommunismus oder der
Bürgerkrieg, den Auslöser identitärer Hinterfragungen dar und setzen oft die
Suche nach einem neuen Ausgleich in Gang.
Die Werke der sieben deutschsprachigen
AutorInnen ex-jugoslawischer und bulgarischer Herkunft wurden nach dem Prinzip
einer möglichst vielseitigen Beleuchtung der Entstehungszusammenhänge und der
eingesetzten literarischen Strategien ausgewählt. Die meisten sind junge
Autoren, deren Aufnahme in den Kanon binnendeutscher Literatur durch
verschiedene Auszeichnungen wie den „Adalbert-von-Chamisso“ – Preis im
deutschsprachigen Raum anerkannt wurde. Es lässt sich feststellen, dass, obwohl
viele ein gemeinsames Erfahrungsrepertoire teilen, die Art der
Fiktionalisierung des Stoffs sich doch als völlig unterschiedlich voneinander
erweisen kann.
Bei Dimitré Dinev taucht im Roman Engelszungen (2003) und im
Erzählungsband Ein Licht über dem Kopf
(2005) eine hoffnungslose Welt osteuropäischer Gastarbeiter auf, die zu einer Existenz
an „Nicht-Orten“ oder sogar „Anti-Orten“ verdammt sind, was gattungstypologisch
mit realistischen und naturalistischen Mitteln in postmoderner Färbung
inszeniert wird. Bei Marica Bodrožić ragt
in dem Roman Der Spieler der inneren
Stunde (2005) und dem Prosawerk Sterne
erben, Sterne färben (2007) die Vorliebe für lyrische Prosa und
Tagebuch-Einschübe hervor, die heimatliche Provinz wird mythisiert und als
Grundpfeiler bei der Identitätsbildung beschwört. Gleichzeitig gewinnt der
Umgang mit der deutschen Sprache und der erworbenen Identität im Aufnahmeland
immer mehr an Geltung.
Saša
Stanišićs Werk Wie der Soldat das Grammophon
repariert (2006) ist ein Bürgerkrieg-Roman, der
traditionelle Muster durch vielfache Handlungsbrüche, Collagen, Perspektivenwechsel
und eklektische Anhäufungen sprengt. Bei Zoran Drvenkar wird im Roman Yugoslavian Gigolo (2005) dem Bürgerkrieg soviel
Platz eingeräumt, als er künftige Lebenseinstellungen endgültig besiegelt, die
jedoch von einem gesamten Zusammenhang früherer politisch-sozialer Verhältnisse
vorprogrammiert waren. Der postmoderne Anti-Entwicklungsroman bringt eine
Gaunertragödie mit einem Helden in Vordergrund, dem die Ausreise nach
Deutschland das eigene Versagen bestätigt. Nicol
Ljubićs Hauptgestalten in Heimatroman oder Wie mein Vater ein Deutscher wurde (2006) ist es längst gelungen,
Deutschland als neue Heimat gefunden zu haben, was auf einer Reise ins
Herkunftsland jedoch fraglich wird. Mit den Mitteln autofiktionaler
Dokumentarliteratur fragt sich der Autor nach den Wurzeln einer „waschechten“
Identität. Rumjana Zacharievas
Roman Bärenfell (1999) setzt sich mit
den Auswirkungen des Kommunismus auf die individuelle Identität auseinander.
Die polyphonische Struktur begünstigt tiefsinnige
Einblicke in das Schicksal der später wegen dem Regimedruck ausgereisten Heldin
und rettet ihn vor den Fallen autobiographischen
Schreibens. In Ivan Ivanjis
Roman Das Kinderfräulein (1998)
werden mit rein traditionellen Techniken des
realistischen Romans Ideologeme aus dem Nationalsozialismus und Kommunismus
verabschiedet, was sich schlagartig auf den identitären Diskurs auswirkt.
Daraus ergeben sich folgende
Themenkomplexe, die wir berücksichtigen werden:
·
Theoretische Überlegungen zur Ästhetik
und Wertung der „Migrantenliteratur“
·
Kanonisierung der „Migrantenautoren“
und das Verhältnis zur binnendeutschen Literatur
·
Die Literarisierung von
autobiografischen Erfahrungen
·
Identitäts- und Alteritätskonstruktionen
in der „Migrantenliteratur“
·
Provinz und Metropole als Orte der
Identitätsbildung
·
Posttraumatische Erfahrungen: der
jugoslawische Bürgerkrieg, der Kommunismus
·
Räume der Identitätsbehauptung und des
Identitätsverlustes
·
Geschichte als Auslöser von
identitären Schwankungen
·
Sprache und Stil bei deutschsprachigen
Autoren ausländischer Herkunft
·
Rekurrente Themen und Motive der
„Migrantenliteratur“.
Die Fußnoten wurden
hier weggelassen.
Schlüsselwörter: Minderheitenliteratur,
Erzähltheorie, Narratologie, Migrationsliteratur,
Exilliteratur, Migrantenliteratur, Identitätsbildung, Identitätsverlust
Beachten Sie auch den folgenden Titel:
Maya Christiana Preiß
Der
Begriff der Beziehlichkeit und die Konzeption von
Identität
im
frühen und mittleren Werk Alfred Döblins
1. Auflage 2014. 180 Seiten, € 39,80.
ISBN 978-3-86628-492-0
Buchtitel
und Reihen zum Thema Germanistik und ihr Umfeld
Hartung-Gorre Verlag / Säntisblick 26 / D-78465 Konstanz
Telefon: +49 (0) 7533 97227 Telefax: +49 (0) 7533 97228