Hartung-Gorre Verlag
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Karl Wiehn
NachtGesänge
Das denkwürdige Leben eines Hitlerjungen
von 1939 bis 1945.
Erzählung
1.
Auflage 2003, 256 Seiten, € 19,80. ISBN 3-89649-880-0
SIMON URBAN ist neun Jahre alt, als ein Lehrer seine
Singstimme entdeckt und ihn einem Kinderchor empfiehlt; aus den Sängerknaben wird
bald ein Pimpfenchor der Hitlerjugend, im Herbst des Jahres 1940. Simon trägt
stolz die braune Uniform, lernt Kantaten von Mozart und die teuflischen Lieder
des Dritten Reiches: ‚...fort mit jedem schwachen Knecht, nur wer stürmt
hat Lebensrecht...’. Simons Mutter, eine brave Frau,
ist wütend und ohnmächtig zugleich, Simons Vater, ein Hilfsarbeiter schon mit
vierzehn und jahrelang in Schlafbaracken lebend, findet Gefallen daran, dass
die Braunen seinem Sohn ein besseres Leben versprechen. Simon wird ein anständiger
Pimpf, er singt mit dem Chor im befreiten Lothringen, er lernt
marschieren und erste militärische Übungen nach dem Vorbild der Soldaten. Sie
sind seine einzigen Idole, er bejubelt ihre Siege, er verfolgt ihre Triumphe an
allen Fronten, von der Wolga bis Nordafrika; Erdkunde wird sein Lieblingsfach
in der Hauptschule, der neuen Anstalt des Regimes, er glaubt an den Endsieg
Großdeutschlands. In einem Schulaufsatz beschreibt er seine
Bereitschaft, selbst seine Eltern an die Partei zu verraten, so sie denn nicht
aufrichtig hinter Adolf Hitler stünden. Den ersten Dämpfer verpasst ihm sein
Onkel, ein Berufssoldat mit vielen Orden; der erzählt im Urlaub von den
furchtbaren Folgen der deutschen Belagerung von Leningrad. Schließlich gerät er
an den Freundeskreis eines Kaplans, den er schätzt seit seinem
Kommunionunterricht. Die Vertrauten hören den Feindsender, die britische
BBC, sie erklären dem Dreizehnjährigen, dass er für eine Clique von Verbrechern
singe, dass seine großen Götter bald gestürzt würden von den alliierten Armeen,
dass man deren Luftangriffe ertragen müsse, denn schließlich hätten die
Deutschen damit begonnen. Simon ist kuriert, er spielt fortan eine
heikle Doppelrolle, ist ein Verräter in einer braunen Uniform, sie
abzulegen hätte bittere Folgen für Familie und Freunde. Die Hitlerjugend
schenkt ihm schließlich eine Geige samt dem Unterricht, sein Fähnleinführer
macht ihn zum Trommelbuben, an der Seite eines Generals schleppt er die
Schatulle mit Eisernen Kreuzen für eines der letzten Bataillone, dem
Befehl zum Volkssturm entkommt der Vierzehnjährige wegen einer Blessur
am Bein. Als persönliche Rettung vom allseitigen Terror begrüßt er den
Einmarsch der amerikanischen Panzer in seine Stadt am 20. März 1945, seine Zeit
für Gedanken an eine neue Zukunft währt indes nicht lang...
Karl
Wiehn war als
Bildjournalist und Zeitschriftenredakteur tätig, war Mitglied der Jury des
Deutschen Jugend-Fotopreises, realisierte eigene und fremde Fotoausstellungen,
publizierte Bildbände und Kalender. Seit 1964 war er Produzent, Regisseur und
zumeist auch Autor von 180 Dokumentarfilmen und Features für die ersten und
dritten Programme deutscher Fernsehanstalten, für die Erwachsenenbildung und
für den Geschichtsunterricht; er arbeitete in 24 Ländern, erhielt mehrere
nationale und internationale Preise und einen >Adolf-Grimme-Preis<. Ab
1996 engagierte er sich für Kinder und Jugendliche in Venezuela, er lebt
hälftig in der Pfalz und in Südfrankreich.
Schlagwörter:
( 1940 –
1945 )
Simon Urban, ein Arbeiterkind im Pimpfenchor der Hitlerjugend.
Förderung und sozialer Aufstieg. Deutsche Kultur in Lothringen.
Jubel über militärische Siege. Leningrad und Stalingrad.
Erster Bombenangriff. Mit Zwangsarbeitern im Luftschutzbunker.
Aufklärung über das NS-Regime. Das Doppelleben des Simon Urban.
Die Befreiung. Kurze Zeit der Zuversicht.
Besprechung von Winfried Kurrath in „notiert 61“,
Mitteilungen der Freunde + Förderer der DPSG (Deutsche Pfadfinderschaft Sankt
Georg) Winter 2009/2010 auf Seite 38
Neun
Jahre ist Simon alt, als ihn die braunen Verführer im Pimpfenchor der
Hitlerjugend zu vereinnahmen beginnen. Das Kind einer - wie man so sagt -
einfachen Familie aus der Pfalz wird ein gläubiger, »treuer Junge des Führers«.
Ausschlaggebend für eine neue Sicht der Nationalsozialisten durch den Heranwachsenden
werden zwei Verwandte und ein Priester, die dem Jungen mehr und mehr die Augen
über das verbrecherische Regime öffnen. Simon beginnt ein heikles Doppelleben.
»NachtGesänge« ist die authentisch
erzählte Zeitzeugen-Geschichte vom Alltag »kleiner Leute« während des Krieges.
Wiehn schildert in großer Nähe zu den Figuren seiner Erzählung den inneren
Widerstand gegen die Braunen, vom Mitläufertun, von Verblendungen, den
seelischen Verkrümmungen, von Zweifeln, Hoffen und Bangen, unbestimmten Ängsten,
Schrecken, Paniken, Verzweiflungen, aber auch dem Mut angesichts von Terror,
einer mordenden Diktatur und schrecklicher Kriegsgräuel.
»Alle Kriegskinder werden irgendwann
in ihrem Gedächtnis kramen und merken, dass sie anders sind als jene, die erst
später auf die Welt gekommen sind«, schreibt Karl Wiehn (1931 bis 2009). Die Kindheitserfahrungen haben auch ihn nie
verlassen. Er bedient sich bei der eigenen Erinnerung an diese Zeit der
literarischen Form, dass Simons jüngerer Bruder Heiner dessen Leben nachzeichnet,
nach Simons Tagebuch und späteren Recherchen. Simon kann seine Geschichte nicht
mehr selbst erzählen, er überlebt die Folgen des Krieges nicht, wie viele
Millionen Kinder in und nach den vielen Kriegen dieser Welt. Unser im April
gestorbenes Mitglied Karl Wiehn hinterlässt mit diesem packenden, über weite
Strecken sicher autobiografischen Buch ein Manifest gegen politische Verführer
und gegen den Krieg. Ein Buch für nachgeborene Generationen und nicht nur zur
Erinnerung für Zeitzeugen. wk.
Außerdem erschienen vom selben Autor:
Ereignisse im Lubéron – Wahrnehmungen in der Provence. 1961-2006
3. aktualisierte Auflage 2007, 268 Seiten, € 19,80. ISBN 3-89649-670-0
La Garelle
Ein Weiler in der Provence
Erzählung
1. Auflage
2008; 292 Seiten, € 22,00. ISBN 3-86628-202-8
Begegnungen im
Luberon. Erzählungen.
1. Auflage 2009. 268
Seiten mit zahlr. Fotos aus dem Archiv des Autors.
€ 19,80. ISBN-10 3-86628-260-5; ISBN 978-3-86628-260-5
PARIA - Entwicklungen und Erfahrungen auf der Halbinsel Paria
in Venezuela. 1993 - 2001
2002, 128 Seiten,
€ 14,80. ISBN 3-89649-765-0
DREISSIG
JAHRE
DREISSIG TAGE
Spurensuche in Venezuela - Erzählung
1. Auflage 2005, 362 Seiten, € 23,80. ISBN 3-86628-040-8
Dokumentation über ein humanitäres
Projekt in Venezuela
1. Auflage 2006;
196 Seiten, € 19,80. ISBN 3-86628-115-3
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