Hartung-Gorre Verlag
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S
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Erhard
Roy Wiehn (Hg.)
Oktoberdeportation
1940.
Die
sogenannte 'Abschiebung' der badischen und saarpfälzischen Juden in das
französische Internierungslager Gurs als Vorstation von Auschwitz.
50 Jahre danach zum Gedenken
Konstanz
1. Aufl.1990, 1016 Seiten, € 34,77.
ISBN 3-89191-332-X
Rezension
von Rudolf Kroboth in „Schwäbische Heimat“, Heft
4/1991
Am
22. Oktober 1990 jährte sich zum fünfzigsten Mal ein Ereignis, das zu den
traurigsten Kapiteln der südwestdeutschen Landesgeschichte zählt. An eben
diesem Oktobertag des Jahres 1940 wurden insgesamt 6500 jüdische Mitbürger aus
Baden, der Pfalz und dem Saarland in das Internierungslager Gurs
im damals noch unbesetzten Teil Frankreichs (Vichy-Frankreich)
verschleppt. Diese von den NS-Gauleitungen von Baden und der Saarpfalz
generalstabsmäßig geplante und durchgeführte Verschleppungsaktion markierte den
Beginn der systematischen Judendeportationen durch die Nationalsozialisten, mit
denen - als erster Schritt zur «Endlösung der Judenfrage» - das Ziel verfolgt
wurde, das Deutsche Reich «judenfrei» zu machen.
Dem
an der Universität Konstanz Soziologie lehrenden Prof. Erhard R. Wiehn sowie dem kleinen, auf Judaica
spezialisierten Konstanzer Hartung-Gorre Verlag ist es zu danken, dass zu
diesem erschütternden Ereignis der jüngeren Geschichte Südwestdeutschlands
nunmehr eine umfassende geschichtswissenschaftliche Analyse und Dokumentation
vorliegt.
Der
Herausgeber sowie Paul Sauer, dessen 1968 erschienene Pionierstudie über die Schicksale
der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen
Verfolgungszeit 1933 bis 1945 nach wie vor Standard
setzende Bedeutung hat, beschreiben in zwei einleitenden Beiträgen die
Oktoberdeportation von 1940 als ein Ereignis, dem im Gesamtrahmen der nationalsozialistischen Judenverfolgung ebenso wie dem Novemberpogrom
von 1938 («Reichskristallnacht») eine archimedische Bedeutung zukommt,
insofern nämlich, als hiermit ein entscheidender Schritt unternommen wurde von
der «bloß» rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Diskriminierung der
jüdischen Mitbürger zur physischen Vernichtung des Judentums. Deutlich wird,
dass mit der Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden in das
südfranzösische Internierungslager Gurs im Oktober
1940 endgültig die Weichen für die «Endlösung der Judenfrage» gestellt wurden.
Eine
Reihe von lokalhistorischen Studien und Augenzeugenberichten über den Ablauf
der Deportationsaktion in Heidelberg, Singen, Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim,
in denen viele Einzelschicksale auf eindringliche und authentische Art ins
Blickfeld gerückt werden, offenbaren dabei in aller Eindringlichkeit das
unvorstellbare Leid, das den von der Deportation betroffenen Menschen zugefügt
wurde. Mit noch größerem Nachdruck vermittelt sich dem Leser die
Unmenschlichkeit der Verschleppungsaktion, wenn er die zahlreichen, zumeist aus
der authentischen Leidensperspektive von unmittelbar Betroffenen geschriebenen
Berichte über das Leben und den Überlebenskampf der Deportierten im
Internierungslager Gurs liest. Das Grauen der «Hölle
von Gurs» wird dabei buchstäblich lebendig, wenn hier
die katastrophale Ernährungslage, die völlig unzureichende medizinische
Versorgung sowie die unvorstellbar schlechten, hygienischen Verhältnisse, die
den Alltag des Lagerlebens bestimmten, weniger im Stile einer nüchternen
historischen Bestandsaufnahme, sondern vorwiegend aus dem Blickwinkel von
denjenigen beschrieben werden, die diese «Vorstation
von Auschwitz» überlebt haben.
Hervorzuheben
ist in diesem Zusammenhang der umfängliche, auf über 400 Seiten angelegte
Dokumentationsteil, der in einer Vielzahl von Einzeldokumenten (staatliche
Erlasse, Presseartikel, Briefe von Lagerinsassen etc.) die Geschichte der
Oktoberdeportation und ihrer schrecklichen Folgen vor allem auch im Hinblick
auf konkrete Einzelschicksale nachvollziehbar macht und dabei die zynische
Planrationalität der nationalsozialistischen
Judenpolitik im Vorfeld von Auschwitz offenlegt.
Im
Vorwort äußert der Herausgeber die Hoffnung, dass mit diesem Band eine ebenso
vielseitige wie würdige Gedenkdokumentation zustande gekommen ist, deren
Zweck es ist, an· die Opfer und ihre Peiniger zu
erinnern und noch 50 Jahre danach daraus zu lernen. Das vorliegende
Buch löst diesen Anspruch ein, weshalb zu wünschen ist, dass es möglichst viele
Leser findet.
Rudolf
Kroboth
Inhalt
Vorbemerkungen des Herausgebers
I.
Gedenkschrift
Professor Dr. Erhard R. Wiehn,
M.A. (Konstanz)
Zur Oktoberdeportation 1940 und ihren Folgen
Professor Dr. Paul Sauer (Stuttgart)
Die Deportation der badischen Juden nach
Südfrankreich
Lic. phil. Jacques
Picard (Bern)
Ein Paket aus der Schweiz - Die jüdische
Hilfsaktion für Gurs
und die politische Lage der Juden in der Schweiz
1940-1942
Karl Schatz (Gottmadingen)
Gurs
zum Gedenken
Dr. med. Eckhardt
Friedrich (Konstanz)
"Zu erinnern und nicht zu
vergessen" –
Zur Geschichte der Gailinger
Juden und wie mit ihr umgegangen wird
Berty
Friesländer-Bloch (Speicher)
Unsere Deportation am 22. Oktober 1940
Reinhild Kappes (Singen)
Die Deportation der Juden aus Singen
Trudy
Rothschild (New York)
Die Verfolgung der badischen und pfälzischen
Juden
Hugo Schriesheimer s.A.
(Kreuzlingen)
Die Hölle von Gurs
- Das Ende der badischen Juden
Richard Liebermann s.A.
(Konstanz)
Lagerskizzenheft
Gertrud Friedberg-Kaufmann
s.A. (Freiburg)
Stimmungsbilder aus den Ilots
Louis Dreyfuss
(Breisach)
Überleben in Frankreich 1940-1945
Gerhard Brändle
(Pforzheim)
Von Gurs nach
Auschwitz
Josef Werner (Karlsruhe)
Die Deportation nach Gurs
Dr. Arno Weckbecker,
M.A. (Hamburg / Seoul)
Die Deportation der Heidelberger Juden
Oskar Althausen (Mannheim)
Die Deportation und Camp de Gurs überlebt
Dr. med. Eugen Jizchak
Neter s.A. (Degánia)
Erinnerungen an das Lager Gurs
in Frankreich
Schlomo
Marcus, MLS. (Yeruham)
Dr. med. Eugen Jizchak
Neter in Gurs und Israel
Professor Dr. Walter Schmitthenner
(Freiburg)
Maria Krehbiel-Darmstädter
(1892-1943)
Dr. med. Ludwig Mann s.A.
(Mannheim)
Heldentum in Gurs
Rabbiner Jehuda Leo
Ansbacher (Netánia)
In Frankreich 1940-1943
Dr. Siegfried Pinchas
Rothschild (Jerusalem)
Einige Erinnerungen an das Lager Gurs
Irit Salmon
(Jerusalem)
Works from Gurs
Dr. med. Eugen Fried
s.A. (Landau / Straßburg)
„... verscheucht wie ein getretener Hund“
Professor Dr. Hans-Walter Herrmann
(Saarbrücken)
Die Deportation nach Gurs
Professor Dr. Erhard R. Wiehn,
M.A. (Konstanz)
Zur Bürckel-Aktion
in Kaiserslautern
Margot Wicki-Schwarzschild
(Reinach)
Gurs
- aus Kinderperspektive
Hannelore Wicki-Schwarzschild
(Emmenbrücke)
Auch mir
steigen Erinnerungen auf
Elsbeth Kasser
(Zürich)
Aus meinem Erleben im Lager von Gurs 1940-1943
Rabbiner Jehuda Leo
Ansbacher (Netánia)
Eine Neilá-Predigt
vor 50 Jahren
II.
Dokumentation
Dokumente 1940
U.a. NS-Dokumente
Erster Gurs-Bericht
Erstes
Hilfe-Dokument vom 29.10.1940
Erster Gurs-Brief vom 1.11.1940
SIG-Dokument
vom 8.11.1940
SIG-Dokument
vom 24.11.1940
Max Bloch Rapport
vom Dezember 1940
Dokumente 1941
U.a. Israelit.
Wochenblatt f.d. Schweiz vom 7.2.1941
'Badische Presse'
vom 14.2.1941
Rabbiner Jehuda Leo Ansbacher Brief vom 24.9.1941
Dokumente 1942
Dokumente 1943
U.a. Artur Trautmann
Postkarte vom 10.4.1943
Rosa Schriesheimer
Briefe ab 17.3.1943
Dokumente 1944
Dokumente 1945 ff.
U.a. Rolf Weinstock
(Emmendingen) 1946
Martha Stern-Neumann (Karlsruhe) 1956
Daniel Horsch (Weinheim) 1964
Martha u. Else Liefmann (Freiburg / Bern) 1966
Kurt Düwell (Bonn) 1968
Paul Sauer
(Stuttgart) 1969
Günther Haselier (Breisach)
1985
Willy Messmer (Bruchsal) 1986
Katrin Hopstock (Speyer) 1988
Josef Werner
(Karlsruhe) 1988
Gerhard Brändle (Pforzheim)
1988
Osias
Hofstatter (Israel) 1989
Gerhard Brändle (Pforzheim) 1990
Volker Keller
(Mannheim) 1990
Weiterhin
aktuell sind die folgenden von Erhard Roy Wiehn herausgegebenen Titel:
Jüdische Überlebens- und
Nichtüberlebensschicksale in Deutschland
Inhaltsverzeichnis der Edition / to the contents of the edition Shoáh & Judaica / Jewish
Studies
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