Hartung-Gorre Verlag
Inh.: Dr. Renate Gorre D-78465 Konstanz Fon:
+49 (0)7533 97227 Fax:
+49 (0)7533 97228 www.hartung-gorre.de |
S
|
Neuerscheinung April 2010
Raffael Wieler-Bloch
Konstanz 2010; 260
Seiten, EUR 24,80.
ISBN 978-3-86628-300-8
Aus dem Nachwort des
Herausgebers Erhard Roy Wiehn:
Eine verdichtete Familiensaga
Raffael
Wieler-Bloch hat als Angehöriger der Großfamilie Wieler gewissermaßen von innen
Leben und Lebensleistung dieses bedeutenden Mannes in einer besonders
einfühlsamen und liebevollen Weise nachgezeichnet wie in einer Art Fachwerkbau:
Zwischen dem hand- und standfesten Balkengerüst der objektiven Daten und Fakten
hat er feinfühlig, geistreich, lustig, spannend, subtil, traurig, witzig
verdichtete Zeilenwerke ein-gefügt, welche die damalige Wirklichkeit des
Familienlebens der Liebermanns so realistisch beschreiben, wie es hätte gewesen
sein können.
Zwar
war Richard Liebermann auch schon vor dem vorliegenden Buch vor dem Schicksal
bewahrt geblieben, ein völlig vergessener Künstler zu werden. Gernot Römer hat
ihn bereits 1995 erwähnt, und zwar in: „Ein fast normales Leben, Erinnerungen
an die jüdischen Gemeinden Schwabens, Ausstellung in Augsburg, Lebensgeschichte
und Bilder zu Richard Liebermann“.
Zu erinnern ist auch an die
wohl erste große, 35 Jahre nach seinem Tod aber keinesfalls verfrühte Ausstellung:
„Spurensuche: Richard Liebermann 1900-1966. Lebenslinien eines gehörlosen
jüdischen Künstlers. Edmund Scharff Museum Neu-Ulm, 9. November 2001 – 3.
Februar 2002“. Der Bayerische Rundfunk brachte am 9. Dezember 2001 die Sendung
„Sehen statt hören“ (Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und
Schwerhörigen e.V.) über Richard Liebermann, dessen Daten inzwischen auch im
Internet präsent sind.
Es
ist ein Werk von starker Erzähl- und Darstellungskraft, und mit der
berührenden, beglückenden, tragischen, traurigen, unheimlich verdichteten
Familiensaga „Richard
Liebermann – Der gehörlose Porträt- und Landschaftsmaler 1900-1966“ ist dem Autor zweifellos ein exzellenter
Wurf gelungen – und nicht zuletzt eine liebevolle, opulente, substanzielle Hommage
an einen unvergessenen und unvergesslichen Künstler.
Buchrezension
in:
Basler Zeitung vom
26. Oktober 2011, Seite 35
Gegen das Vergessen
Ein Buch über den
gehörlosen Maler Richard Liebermann
Von
Annemarie Monteil
Wie
schreiben über den Holocaust, fragt Bernhard Schink in seiner Heidelberger
Poetikvorlesung. Und er befand, «Wahrheit» sei hier «die einzige
Verpflichtung». Ein schmales Buch über den gehörlosen Maler Richard Liebermann
gibt auf dieser Basis eine behutsame, eindrückliche Antwort.
Eigentlich
geht es um eine keineswegs ausserordentliche Familiengeschichte. Heiter ist das
Leben im Hause Wieler mit fünf Söhnen und drei Töchtern. Was es vom Harmlosen
unterscheidet, sind zwei dunkle Wolken, die über der freundlichen Erzählung
dräuen und die Lektüre notwendig machen.
Eine
Wolke entlud sich wörtlich, als Rebekka Wieler ihre Tochter Gertrud Liebermann
besuchte und ein Donnerschlag drei ihrer Grosskinder aufwirbelte, nur der
kleine Richard ass unbekümmert weiter: «Er hört ja nichts.» Viel später wird
ein Lehrer sagen: «Seine Augen hören.» Die zweite Düsternis kommt langsamer und
schrecklicher. 1923 erscheinen Plakate: «Ein Jude kann kein Volksgenosse sein.»
Die Wielers und die Liebermanns, gute Deutsche, die Väter Soldaten im Ersten
Weltkrieg, fragen sich: «Was sind wir denn?».
Persönliche
Anteilnahme .
Der
gemächliche Erzählfluss lässt vorerst nur schmale Ritzen für das Erschrecken.
Man begleitet den sechsjährigen Richard nach München in die «Königliche
Taubstummenanstalt». Hier ist der Autor, der bereits seine Figuren mit
persönlicher Anteilnahme schilderte, vollends dabei: Raffael Wieler war Rektor
einer grossen Schule beider Basel für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen.
Professionell und lebendig erlebt man, wie Richard «sprechen»: lernt: Die
Disziplin seiner Schule erlaubt nur Laut-, nicht Gebärdensprache.
Ein
Refrain durchzieht das Buch «Richard malt» - und ist dabei glücklich. In der
Schule erkennt man sein Begabung, er darf an die Akademie, ist aber keineswegs
verwandt mit dem damals grossen Max Liebermann. Sein Landschaften und Porträts
im akademischen Stil mit sensibler Linienführung gefallen. 1933 kommt Hitler an
die Macht. Richard Liebermann ist 33. Berufsverbot für Juden. 1938 Häftling im
Konzentrationslager Dachau.
Unterkunft
im Kloster
Er
malt, kommt zurück, kahl geschoren. 1940 ein Polizeiauto vor der Türe:
mitkommen. Er und Schwester Gertrud werden nach Gurs am Fuss der Pyrenäen
deportiert. Diese Gertrud ist eine wundervolle Frau. Schon als Kind beschützte
sie den Bruder, jetzt rettet sie ihn, den im Alltag Hilflosen. Er bemalt die
Fensterscheiben der Baracke. 1943 gelingt die Flucht, sie finden Unterkunft in
einem Kloster in St.-Rambert. Gertrud, tüchtig, liebenswürdig, hilft den
Nonnen, Richard porträtiert Franzosen. 1966 stirbt er. Mutter Hedwig,
mittlerweile depressiv geworden, wurde Euthanasie-Opfer.
1972
kehrt Gertrud nach Konstanz zurück, im Koffer Bilder und das Malbüchlein des
Bruders. Der junge Raffael Wieler darf Tante Trude von Basel aus besuchen: eine
fröhliche, lebenszugewandte alte Dame. «Aber frag sie nicht nach früher.» Er
sieht die Bilder: «Wer hat das gemalt?» Sie erzählt und verschenkt, «bei euch
sind sie gut aufgehoben.» Sie sind es. Der junge Verwandte bringt Richard
Liebermann, den die Nazis totschweigen wollten, wieder ins Bewusstsein.
Und
mehr: Er leistet einen sehr persönlichen Beitrag zur deutschen Geschichte des
20.Jahrhunderts. Er zeigt, zu welchem Grauen blinder Gehorsam führt, aber auch,
was überlebt: Menschenhilfe, Mut, Geschwisterliebe und Erinnerungen, die es
aufzuzeichnen gilt, damit sie lebendig bleiben.
Buchrezension
in:
Augsburger
Allgemeine Nr. 119 vom 27. Mai 2010, Seite 12
Biografie und Familiensaga
Erinnerung
an den jüdischen Maler Richard Liebermann aus Neu-Ulm
von GERNOT RÖMER
2001 hat das
Edwin-Scharff-Museum in Neu-Ulm mit einer großartigen und umfangreichen
Ausstellung an den Maler Richard Liebermann erinnert. Auch im Ulmer Museum
sowie im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg waren schon Bilder des aus Neu-Ulm
stammenden taubstummen Künstlers zu sehen. Nun gibt es auch ein Buch über ihn.
Autor Raffael
Wieler-Bloch ist ein nachgeborener Verwandter des zu Unrecht fast vergessenen
Malers; er lebt im schweizerischen Basel. Richard Liebermanns Mutter Hedwig war
eine geborene Wieler aus Konstanz. Um die Wende zum 20. Jahrtausend hält der
aus Ichenhausen stammende und in Neu-Ulm lebende Hopfenhändler Heinrich
Liebermann um ihre Hand an.
Möglicherweise lockt ihn die Aussicht
auf eine zu erwartende hohe Mitgift. Die gibt es in der Tat. Sie besteht aus
einer großartigen Aussteuer und 35000 Mark in bar. 1897 wird Hochzeit gehalten,
doch wird die Ehe nicht sehr glücklich. Vier Kinder werden den Liebermanns
geboren, drei Buben, ein Mädchen. Sohn Richard ist taubstumm. Seine Schwester
Hedwig wird ihn durchs Leben geleiten.
Richard
besucht die Königliche Taubstummenanstalt in München. Wenn die anderen
Schützlinge spielen, zeichnet und malt er, malt und malt. Als er zwölf Jahre
alt ist, sorgen Zeichnungen von ihm bei Kunstkennern bereits für Aufsehen. „Sie
werden es kaum glauben … , der Kerl ist erst zwölf
Jahre alt!“, zitiert Autor Wieler-Bloch einen Kunstkenner, und der Leser des
Buchs fragt sich, woher er das und vieles andere wissen kann …
Erhard Roy
Wiehn, angesehener Historiker und Soziologe an der Universität Konstanz,
bezeichnet in einem Nachwort Wieler-Blochs Liebermann-Buch als eine
Familiensaga. In der Tat ist das keine nüchterne Biografie, sondern eine vom
Autor eingeräumte Mischung aus Wahrheit und Dichtung.
Im
Wieler‘schen Familienarchiv hat der Autor Briefwechsel zwischen den Liebermanns
in Neu-Ulm und den Wielers in Konstanz gefunden. Die bezeugen etwa die prekäre
finanzielle Lage der Familie Liebermann und auch den schwierigen Charakter
Heinrich Liebermanns. Raffael Wieler-Bloch hat auch in anderen Archiven
geforscht. In den Akten der Münchner Kunstakademie suchte er nach Spuren aus
Richard Liebermanns Studienjahren von 1928-1930; und er kannte Gertrud
Liebermann, die unzertrennliche Schwester des Malers noch.
Wie Vater Heinrich sowie die Brüder
Richard und Paul und viele andere badische Juden wurde sie im sogenannten III.
Reich ins Konzentrationslager Gurs in Frankreich deportiert. Der Vater ist im
KZ gestorben; Paul, Richard und Gertrud überlebten, kehrten aber nicht nach
Deutschland zurück. Bis zu seinem Tod 1966 im französischen Städtchen St.
Rambert hat sie selbstlos für Richard gesorgt. Viele Bilder hat der
unermüdliche Maler dort hinterlassen. Sein letzter Lebensabschnitt war
überschattet von der Parkinson‘schen Krankheit.
Vom selben
Autor:
Raffael
Wieler-Bloch
1. Auflage 2018; 124 Seiten. € 15,-; CHF 18,-
ISBN 3-86628-606-6, 978-3-86628-606-1
Raffael
Wieler-Bloch
Eine
Familiensaga aus der Provinz Posen sowie Chemnitz
und in der deutsch-schweizerischen Bodenseeregion
Herausgegeben von
Erhard Roy Wiehn
Konstanz 1. Aufl. 2008; 155 Seiten, EUR 16,00.
ISBN 3-86628-226-5, 978-3-86628-226-1
Weiterhin
aktuell sind die folgenden von Erhard Roy Wiehn herausgegebenen Titel:
Jüdische
Überlebens- und Nichtüberlebensschicksale in Deutschland
Inhaltsverzeichnis der Edition / to the contents of the edition Shoáh & Judaica / Jewish
Studies
Zu den Büchern über Kunst und Kunstgeschichte
Weitere Titel zur
Geschichte in der Region
Hartung-Gorre Verlag / D-78465 Konstanz / Germany
Telefon: +49 (0) 7533 97227 Telefax: +49 (0) 7533 97228