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Marie-Elisabeth Rehn
Hugo Schriesheimer –
Ein jüdisches Leben von Konstanz
durch das KZ Dachau, das französische
Internierungslager Gurs,
das Schweizer Asyl und
die USA nach Kreuzlingen 1908-1989. 
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
Konstanz 2011, 130 Seiten, zahlreiche Fotos und Dokumente.
EUR 18,00. ISBN 978-3-86628-373-2

 

 

 

 

 

Aus der Einleitung von Marie-Elisabeth Rehn

Als Hugo Schriesheimer 1989 in Kreuzlingen starb, hatte der kinderlose Witwer vorgesorgt. Vorstandsmitglieder der jüdischen Gemeinde Kreuzlingen unter Leitung des mit der Auflösung des Nachlasses beauftragten Siegfried Gideon räumten die Mietwohnung. Der Schreibtischinhalt wurde in mehreren Plastiktüten verstaut und zwei Jahrzehnte lang im privaten Arbeitszimmers von Prof. Wiehn aufbewahrt. Es ist reiner Zufall, daß der Nachlass, in einem kleinen schwarzen Koffer verpackt, während diese Zeilen geschrieben werden, wieder an einer Adresse in der Kreuzlinger Straße gelandet ist, die Hugo Schriesheimer besonders lieb war.

Der Inhalt dieses kleinen schwarzen Koffers war die Grundlage für die Rekonstruktion des Lebens von Hugo Schriesheimer, der 1908 als einziges Kind von Max und Rosa Schriesheimer in Konstanz geboren wurde und aufwuchs. Der Eisenwarenladen des Vaters wurde 1938 "arisiert", d.h., er ging in die Hände eines nichtjüdischen Besitzers über. In jenem Jahr erfolgte auch die Sperrung der Grenze für Juden. So zerschlug sich die Hoffnung von Vater und Sohn Schriesheimer auf eine Fortführung ihres Geschäfts jenseits der Grenze in Kreuzlingen. Im November 1938 erlebten sie die Zerstörung der Konstanzer Synagoge, Hugo Schriesheimer wurde zusammen mit anderen Konstanzer Juden für mehrere Monate in "Schutzhaft" genommen, die er im Konzentrationslager Dachau verbrachte.

Anfang 1940 erfolgte die Umsiedelung in "Judenhäuser", und am 22. Oktober 1940 wurde die Familie Schriesheimer, wie alle anderen 6.500 badischen und saarpfälzischen Juden nach Gurs deportiert. Die Eltern, die man wegen der Krankheit des Vaters in einem Heim in Pontaqc unterbringen konnte, starben Ende 1943 und Anfang 1944 kurz hintereinander. Dem Sohn gelang währenddessen die Flucht in die Schweiz, wo er bis zu seiner Auswanderung in die USA 1947 als "staatenloser Ausländer" mit Flüchtlingsstatus lebte. 1971 kehrte Hugo Schriesheimer, der inzwischen verheiratet war, in die Heimat am Bodensee zurück – eine vorsichtige Heimkehr sozusagen, denn er ließ sich in Kreuzlingen nieder, der Schweizer Grenzstadt, die aus der Vogelperspektive zusammen mit Konstanz eine zusammenhängende Stadt bildet. In Konstanz wurde er zu einem wichtigen Zeitzeugen, der über das im Lager Gurs Erlebte berichten konnte.

 

Buchbesprechung im Südkurier Konstanz am 1. Sept. 2011

Erinnerungen an eine finstere Zeit

Autor: Josef Siebler

Ein Buch über Hugo Schriesheimer schildert das Schicksal eines Konstanzer Juden im Nationalsozialismus

Erinnerungen an eine finstere Zeit

Das Bild aus dem Nachlass von Hugo Schriesheimer zeigt ihn liegend vor einer Gruppe mit anderen Wandervögeln aus Konstanz. Es folgten schlimme Tage: Wie alle Juden in der Stadt litt er unter dem Rassenwahn der Nationalsozialisten.

Was er wohl gefühlt hat, als er nach all den Jahren von Kreuzlingen in seine Heimatstadt Konstanz gegangen ist? Über die Hüetlinstraße und den Bodanplatz, wo seine Familie lange gewohnt hat und eine Eisenwaren-Großhandlung betrieb? Hugo Schriesheimer war im KZ Dachau und er gehört zu den Konstanzer Juden, die im Jahr 1940 ins Lager Gurs in Südfrankreich verschleppt wurden. Mit Glück überlebte er alle Schikanen der Nationalsozialisten. Marie-Elisabeth Rehn hat seine Geschichte aufgeschrieben.

Die Autorin erzählt nicht nur ein beklemmendes Schicksal. Diese Biografie mutet wie eine Sammlung des Schreckens an: Hugo Schriesheimer war ein äußerst korrekter Mensch. So hat er alle Papiere akribisch gesammelt, selbst den Impfausweis aus Gurs. Offensichtlich hat er versucht, mit „Ordnungssinn und bürokratischer Pedanterie“ dem Rassenwahn zu begegnen, schreibt Marie-Elisabeth Rehn. Sie hat Zeugnisse und behördliche Papiere zusammengefügt zu einem Gesamtbild.

Es ist eine glückliche Familie im Konstanz nach der Jahrhundertwende. Die Eltern Rosa und Max Schriesheimer heiraten 1907, ein Jahr später wird das einzige Kind Hugo geboren. Die junge Familie lebt im Haus Bodanplatz 10. „Dort bin ich geboren, hab' die ersten 27 Jahre meines Lebens dort verbracht, ich bin ein richtiger Bodanplätzler“, erzählt er 1985 in einem Gespräch mit Erhard Roy Wiehn. Der frühere Professor an der Uni Konstanz und Herausgeber des Buches über Schriesheimer hat nach dessen Tod auch die Papiere aus dem Nachlass bekommen.

Der junge Mann macht nach dem Abschluss an der Oberrealschule seinen Ingenieur am Konstanzer Technikum, der späteren Fachhochschule. Hugo wird bald als Vertreter die Waren des Vaters in der Schweiz vertreiben. Ein Foto aus dem Nachlass zeigt das aus diesem Grund erworbene Auto. Das Geschäft wird bald in die Hüetlinstraße 10 verlegt, in Kreuzlingen eröffnet die Familie eine Niederlassung. Jäh greifen die Nazis mit ihrem Rassenwahn in das Alltagsleben ein. 1938 wird der für die Geschäfte in der Schweiz so wichtige Reisepass mit einem roten „J“ für Jude versehen. Der Laden des Vaters wird arisiert. Am 10. November 1938 brennt die nahe Synagoge in der Sigismundstraße. Hugo Schriesheimer steht fassungslos davor, zwei SS-Leute verhaften ihn und bringen ihn zur Gestapo in der Main austraße. Er kommt für vier Monate in das Konzentrationslager Dachau. Als Hugo Schriesheimer in die Stadt zurückkommt, ist es nicht mehr das Konstanz, das er kennt. Restaurants und Cafés sind jetzt tabu für die jüdischen Bürger. Selbst den Führerschein haben sie ihm genommen.

Es folgen die Zwangsarbeit in der Ziegelei in Petershausen und der Transport nach Gurs. Später schildert er, wie er das Lager erlebt hat, da heißt es: „Am traurigsten war die Trennung der alten Ehepaare. Die alten Frauen waren hilflos ohne den Gefährten eines langen Lebens… Wie war der andere untergebracht? War er vielleicht krank?“ Dem Transport ins Todeslager Auschwitz entgeht er durch eine schwere Krankheit. Bald gelingt die Flucht in die Schweiz. Schließlich wandert der Konstanzer nach Amerika aus, wo er mit seiner Frau Eva lebt. 1971 ziehen sie nach Kreuzlingen. Schriesheimer besucht öfters seine Heimatstadt, er hat den Konstanzer Dialekt auch nie abgelegt.

Hugo Schriesheimer konnte die erzwungene Trennung von seinen Eltern nie verschmerzen, Anfang Juli 1942 hat er sie zum letzten Mal in Gurs gesehen. Der Vater stirbt 1943 in Südfrankreich, die Mutter 1944. Erschreckend die sture bürokratische Abhandlung seines Antrags auf Wiedergutmachung. Jahrelang muss er kämpfen, nach den ersten Bemühungen 1946, wird die Entschädigung erst 1958 bewilligt.

1989 stirbt Hugo Schriesheimer. Neben dem Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Kreuzlingen erinnern Stolpersteine auf dem Bodanplatz und die Namen auf der Stele in der Bahnhofstraße an ihn und seine Eltern. Nun kommt ein lesenswertes Buch dazu.

Erinnerungen an eine finstere Zeit

 

 

 

Erinnerungen an eine finstere Zeit

 

Zwei der Dokumente aus dem Nachlass von Hugo Schriesheimer, der offizielle Papiere sorgfältig aufbewahrte. Das jetzt erschienene Buch gibt einen Einblick in Schriesheimers Leben zwischen Konstanz, KZ Dachau, USA und Kreuzlingen.

Bilder: Archiv

 

Veröffentlichungen, Vorworte, Übersetzungen und Mitherausgeberschaft von Dr. Marie-Elisabeth Rehn

im Hartung-Gorre Verlag

 

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