Hartung-Gorre Verlag
Inh.: Dr. Renate Gorre D-78465 Konstanz Fon:
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Bücher zum
Massaker von Kiew-Babij-Jar im September 1941
Dawid Budnik &
Jakow Kaper
Verpflichtet
darüber zu berichten
Zwei jüdische
Überlebensberichte der
NS-Aktion 1005 in
Kiew Babyn Jar 1943
Herausgegeben von Erhard
Roy Wiehn
1.
Auflage 2018, 142 Seiten, Fotos. € 19,80.
ISBN 978-3-86628-605-4
Laura
Notheisen
Zum
Holocaust in der Ukraine -
Babyn Jar und die Aktion 1005 im
Spiegel von Vernehmungsberichten
Herausgegeben
von Erhard Roy Wiehn
1. Aufl.
2015, 2. Aufl. 2020, 58 Seiten. €
19,80
ISBN 978-3-86628-554-5
Erhard
Roy Wiehn • Ергард
Рой Він
Kiew Babij Jar • Kiev Babi Yar • Бабин
Яр у Києві –
Ein fast vergessenes Verbrechen • An almost forgotten crime •
Майже
забутий
злочин 1941. (Deutsch, englisch, ukrainisch)
1. Auflage 2011, 94 Seiten, Fotos. € 14,80.
ISBN 978-3-86628-371-8
Erhard Roy Wiehn (Hg.),
Babij Jar 1941
Das Massaker deutscher
Sonderkommandos
an der jüdischen Bevölkerung von
Kiew
1. Aufl. 2001, 2. Aufl. 2021. 189 Seiten, 24,80 €.
ISBN 978-3-89649-645-4
Dawid Budnik/Jakow Kaper, (vergriffen / out of stock)
Nichts
ist vergessen/Nothing is forgotten
Jüdische Schicksale in Kiew/Jewish Fate in Kiev 1941-1943.
(Deutsch, Englisch, Russisch) (vergriffen
/ out of stock)
Kiew/Konstanz 1993, 317 Seiten. ISBN 3-89191-666-3
Dmitry B. Peisakhov,
Eine Fotodokumentation.
(Einführung in Deutsch, Englisch
u. Russisch)
Konstanz 1992/93, 200 Seiten, 18,41 €. ISBN 3-89191-551-9
Karl Iosifowitsch
Epstein
Ein
jüdischer Junge
überlebt
deutsche Massaker in der Ukraine
und
erlebt als ukrainischer "Ostarbeiter"
eine
deutsche Weihnacht in Berlin
Aus dem Russischen von Gabriele Pässler
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
Konstanz 2011, 82 Seiten, 5 Farbseiten.
ISBN 978-3-86628-389-3 & 3-86628-389-X
Erhard Roy Wiehn
Die
Schoáh von Kiew-Babij-Jar
Zur Geschichte des
Septembermassakers 1941
Auszüge aus einem Kapitel des Buches:
Erhard Roy Wiehn (Hg.),
Babij
Jar 1941
Das Massaker an der jüdischen Bevölkerung von Kiew
60 Jahre danach zum Gedenken.
Konstanz 2001, 2. Aufl. 2021. 189
Seiten, 24,80 €.
ISBN 978-3-89649-645-4
Am 29. und
30. September 1941 erschossen und erschlugen Angehörige des Sonderkommandos 4a
zusammen mit dem Stab der Einsatzgruppe C und zwei Kommandos des
Polizeiregiments Süd in einer damals am Stadtrand von Kiew gelegenen Schlucht
namens "Babij Jar" ("Frauen-Schlucht") 33.771 Menschen,
jüdische Männer, Frauen und Kinder. Bis zur Befreiung Kiews durch die Rote
Armee am 5. November 1943 wurden im Babij Jar insgesamt rund 200.000 Menschen
ermordet, darunter mindestens 80.000 Juden aus Kiew und Umgebung, Bürgerinnen
und Bürger, Zigeuner, Kriegsgefangene, Matrosen der Dnjepr-Flotte und sogar
Fußballspieler des berühmten Clubs 'Dynamo Kiew'. Das Septembermassaker von
1941 war zwar nicht der Anfang nationalsozialistischer Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, aber vielleicht doch der Beginn des eigentlichen Holocaust, der
jüdischen Schoáh
…
"Am
19. September fiel endlich Kiew. 'Mit der kämpfenden
Truppe' rückte an diesem Tage ein 50 Mann starkes Vorkommando des SK 4a in die
Stadt ein. Das Gros des Sonderkommandos erreichte KIEW am 25.9. Das Vorkommando
des Gruppenstabes war bereits am 21.9. hier eingetroffen; der Gruppenstab
selbst folgte am 25.9.1941. Einen Tag später nahm das SK 4a mit sieben
Vernehmungskommandos im Lager für Zivilgefangene, im Kriegsgefangenenlager, im
Judenlager und in der Stadt selbst seine 'sicherheitspolizeiliche Arbeit' in
Kiew auf. Als in der Woche nach dem Einmarsch mehrere Sprengstoffexplosionen
beträchtliche Personen- und Sachschäden anrichteten", beschreibt Helmut
Krausnick zusammenfassend das unbeschreibliche Massaker, "benutzte man
dies sofort als willkommenen Vorwand für 'entsprechende Vergeltungsmaßregeln'
und erließ nach einer Besprechung zwischen Rasch, Blobel, Jeckeln und dem
Stadtkommandanten, General Eberhard, an die Juden von Kiew 'durch
Maueranschlag' einen Aufruf, sich zur Umsiedlung einzufinden. Diesem Aufruf
wurde in so unerwartet großem Umfang Folge geleistet, daß das SK 4a in der Lage
war, zusammen mit dem Stab der Einsatzgruppe C und zwei Kommandos des
Polizeiregiments Süd am 29. und 30. September 1941 33.771 Juden - die Zahl ist
mehrmals gemeldet - in der nahe gelegenen Schlucht von Babij Jar zu erschießen.
Der Name der Schlucht wurde ein Symbol für die Untaten der
Einsatzgruppen."
Der Mord an
den Juden von Kiew dürfte tatsächlich spätestens drei Tage nach dem Einmarsch
der Deutschen begonnen haben, auch wenn im folgenden Augenzeugenbericht
möglicherweise frühe mit späteren Ereignissen vermischt worden sein könnten:
"... Während der zeitweiligen Besetzung der Stadt wohnte ich in Kiew,
Tiraspolskaja-Straße 55, Tür 2. Meine Wohnung befindet sich in der Nähe der
Stelle, die Babij Jar genannt wird", berichtete die Zeugin Gorbatschowa
N.T. am 28. November 1941:
"Am 22. September 1941 habe ich
selbst gesehen, wie nach Babi Jar im Laufe des Tages etwa 40 Lastkraftwagen
fuhren, vollbeladen mit Einwohnern jüdischer Nationalität: Männern, Frauen und
Kindern, wobei einige Frauen Säuglinge in den Armen hielten.
Ich und noch einige Frauen, die in der
Nähe von Babi Jar wohnen, begaben uns, von den deutschen Wachen unbemerkt, zu
der Stelle, an der die Autos haltmachten und die Menschen abgeladen wurden. Wir
sahen, daß die Deutschen etwa 15 Meter vom Anfang des Babi Jar die Juden sich
zu entkleiden zwangen und ihnen befahlen, den Babi Jar entlang zu laufen. Dabei
schossen die Deutschen mit Maschinenpistolen und Maschinengewehren auf die
Laufenden.
Ich habe selbst gesehen, wie die
Deutschen Säuglinge in die Schlucht hinabwarfen. In der Schlucht befanden sich
nicht nur Erschossene, sondern auch Verletzte und sogar lebende Kinder. Dennoch
schütteten die Deutschen die Schlucht zu; dabei war zu bemerken, daß sich die
dünne Schichte Erde über den Menschenleibern bewegte.
Viele Menschen fielen in der Vorahnung
ihres Todes in Ohnmacht, zerrten an ihren Kleidern, rauften sich die Haare und
stürzten den deutschen Soldaten zu Füßen; als Antwort erhielten sie
Stockschläge. - Die Judenerschießungen dauerten mehrere Tage. ..."
…
Am
28. September 1941 (7. Tischri) fanden sich ca. 2.000 Plakate in ganz Kiew mit
der Aufschrift:
"Alle Juden der Stadt Kiew und Umgebung
müssen sich am Montag, dem 29. September 1941, um 8 Uhr morgens an der Ecke
Melnikowskaja und Dochturowskaja (neben dem Friedhof) einfinden. Ausweise, Geld
und Wertsachen sind mitzubringen, ebenso warme Kleidung, Unterwäsche etc.
Jeder Jude, der dieser Anordnung
zuwiderhandelt und an anderem Ort angetroffen wird, wird erschossen.
Jeder Bürger, der in eine von Juden
verlassene Wohnung eindringt und sich Sachen aneignet, wird erschossen."
(Siehe hier S. 6, 20, 170)
Der Text war
in russischer, ukrainischer und deutscher Sprache abgefaßt; also gewissermaßen
'dreistöckig'; für 'Jude' wurde hier übrigens das herabsetzende Wort 'Schid',
nicht das übliche 'Jewrej' benutzt.
"Wir
alle mußten im Hof der Unterkunft, ich glaube, es war Ende Sept. 1941, antreten",
heißt es im Vernehmungsprotokoll des Zugwachtmeisters einer Polizeikompanie,
die das Erschießungsgelände absperrte, vom 19. September 1965:
"Es war alles da, was zum
Kommando gehörte, selbst die Schreibstubenleute und die Leute aus dem Revier.
Auch alle Offiziere waren da. Blobel hielt eine Ansprache, die zum Inhalt
hatte, daß die an diesem Tag durchzuführenden Befehle in jedem Falle von uns zu
befolgen seien, andernfalls wir selbst mit den schärfsten Maßnahmen,
insbesondere der Erschießung wegen Feigheit und mit Sippenhaft zu rechnen
hätten. Wir wurden dann mit Lkw's durch die Stadt Kiew gefahren zu einer großen
Pappelallee. Auf unserer Fahrt sahen wir schon, daß sich lange Kolonnen Juden
jeglichen Alters und jeglichen Geschlechts zu dieser Allee bewegten. Dieser
Allee schloß sich ein Hochplateau an. Auf diesem Plateau mußten sich die Juden
ausziehen. Die Juden wurden bewacht von Wehrmachtseinheiten und von einem
Hamburger Pol.Bat., das, soweit ich mich erinnern
kann, die Nr. 303 hatte. Blobel hatte die Oberleitung über die gesamte
Organisation und Durchführung der Exekution. Die Juden mußten ihre Kleider
ablegen, es türmten sich große Haufen auf. Anschließend mußten sie zum
Grubenrand gehen und sich hinlegen. Sie wurden dann erschossen. Beim Erschießen
wurde abgewechselt. Die Erschießung erstreckte sich über die Länge der gesamten
Schlucht. Die jeweiligen Schützen bekamen von anderen Einheitsangehörigen die
fertig geladenen Magazine der M.P. jeweils gereicht."
Die
Erschießung habe zwei Tage gedauert, so das Vernehmungsprotokoll des
Zugwachtmeisters weiter:
"Es wurden 1000e und Abertausende
von Juden erschossen.
Sie gingen alle gefaßt in den Tod. Es
wurde nicht geschrieen und nicht gejammert. Soweit ich mich erinnern kann,
waren damals alle bei der Einheit befindlichen Führer in diese große
Tötungsaktion mit irgendwelchen Aufgaben eingeordnet.
Ich bin allerdings überfragt, wenn ich
im Einzelfall angeben soll, welche Befehle etwa die Führer Callsen, Hans,
Häfner und Janßen gegeben haben.
Ich kann auch nicht mehr sagen, an
welcher Stelle des Exekutionsgeländes ich diese Führer gesehen habe. Die
Schlucht war sehr tief. Wer von den Führern in der Schlucht stand, kann ich
heute nicht mehr sagen.
Wir bekamen damals Schnaps in großen
Mengen, damit wir besser die ganze abscheuliche Sache überstehen konnten.
Nach Abschluß der Exekution hörte man,
daß ein Teil der Führer ausgewechselt worden sei. Welche Führer dies waren,
kann ich nicht sagen, weil ich dies nicht weiß. Blobel soll sogar ausgezeichnet
worden sein wegen dieser Massaker."
Der
Sachbearbeiter III (SD) im Stab der Einsatzgruppe C, Karl Hennicke, hat Helmut
Krausnick zufolge am 4. September 1947 in Nürnberg eidesstattlich erklärt:
"Bei der Exekution in Kiew (Babi Jar) habe ich ... gesehen: Dr. Rasch, Dr.
Hofmann, Paul Blobel und Callsen."
"Obwohl
man zunächst nur mit einer Beteiligung von etwa 5.000 bis 6.000 Juden gerechnet
hatte", so ein deutscher Originalbericht von damals, "fanden sich
über 30.000 Juden ein, die infolge einer überaus geschickten Organisation bis
unmittelbar vor der Exekution noch an ihre Umsiedlung glaubten." -
"Wir hielten auf einer gepflasterten Straße im freien Gelände an",
berichtete ein Angehöriger des Sonderkommandos 4a zunächst über den Beginn der
Erschießungen:
"Dort waren unzählige Juden
versammelt, und dort war auch eine Stelle eingerichtet, wo die Juden ihre
Kleidung und ihr Gepäck ablegen mußten. Nach einem Kilometer sah ich eine große
natürliche Schlucht. Es war sandiges Gelände. Die Schlucht war ca. 10 Meter
tief, etwa 400 Meter breit, oben etwa 80 Meter breit und unten etwa 10 Meter
breit. Gleich nach meiner Ankunft im Exekutionsgelände mußte ich mich zusammen
mit anderen Kameraden nach unten in die Mulde begeben. Es dauerte nicht lange,
und es wurden schon die ersten Juden über die Schluchtabhänge zugeführt. Die
Juden mußten sich mit dem Gesicht zur Erde an die Muldenwände hinlegen. In der
Mulde befanden sich drei Gruppen mit Schützen, insgesamt 12 Schützen.
Gleichzeitig sind diesen Erschießungsgruppen von oben her laufend Juden
zugeführt worden. Die nachfolgenden Juden mußten sich auf die Leichen der zuvor
erschossenen Juden legen..."
Vor dem
Nürnberger Militärgerichtshof II sagte Richter Richard D. Dixon in der
Urteilsbegründung im ersten Einsatzgruppenprozeß, dem sogenannten 'Case No. 9',
am 8. April 1948: "Der Angeklagte Paul Blobel, der erklärte, daß sein
Sonderkommando zwischen 10.000 und 15.000 Menschen umgebracht hätte, beschrieb
in gewisser Ausführlichkeit eine Hinrichtung, die er selbst geleitet hatte.
Nachdem er angegeben hatte, daß 700 bis 1.000 Personen von dieser Exekution
betroffen wurden, erzählte er, wie er seine Abteilung in Erschießungskommandos
von je 30 Mann aufteilte. Dann wurden die Massengräber vorbereitet:
'Von der Gesamtzahl der zu der Exekution
bestimmten Personen wurden jeweils 15 Mann an den Rand des Massengrabes
geführt, wo sie sich hinknien mußten, das Gesicht zum Grabe gewandt. Kleidung
und Wertsachen wurden zu dieser Zeit noch nicht eingesammelt. Später wurde das
geändert.
Nachdem die Leute zur Exekution fertig
waren, gab einer meiner Führer, dem das jeweilige Exekutionskommando
unterstand, den Feuerbefehl. Durch die kniende Lage am Rand des Massengrabes
fielen die Opfer meistens gleich in das Massengrab. Ich habe stets größere
Exekutionskommandos die Erschießung durchführen lassen, da ich den Gebrauch von
Genickschußspezialisten ablehnte. Jedes Kommando schoß ungefähr eine Stunde und
wurde dann abgelöst. Die noch zu erschießenden Menschen waren in der Nähe der
Exekutionsstätte versammelt und wurden von den Mitgliedern der Kommandos, die
im Augenblick nicht an Exekutionen teilnahmen, bewacht.' (NO-3824)
In einigen
Fällen fielen die umgebrachten Menschen nicht in die Gräber, und die
Henkersknechte waren gezwungen, sich bei der Arbeit des Vergrabens selbst zu
bemühen. Es wurde jedoch eine Methode erfunden, um diese zusätzliche Arbeit zu
vermeiden: Man ließ ganz einfach die Opfer in den Graben oder das Grab
hinuntersteigen, während sie noch am Leben waren. ... - Der Angeklagte Blobel
sagte aus, daß ein Erschießungskommando immer auf die Köpfe der Opfer zielte.
Wenn, so erklärte er, das Opfer nicht getroffen wurde, dann ging ein
Angehöriger des Erschießungskommandos mit seinem Gewehr auf eine Entfernung von
drei Schritten heran und schoß nochmals. Das Bild des Opfers, das zusehen
mußte, wie der Kopfjäger sich mit seinem Gewehr nähert und auf drei Schritte
Entfernung auf ihn schießt, ist so voller Entsetzen, daß sich dafür kein
Ausdruck finden läßt."
"Zur Entlastung
von Blobel, der in einer Voruntersuchungs-Erklärung zugab", so Richter
Dixon weiter, "daß sein Kommando 10.000 bis 15.000 Menschen umgebracht
habe, erklärte sein Anwalt in seinem Schlußplädoyer, daß Blobels Aufgaben rein
verwaltungstechnischer Art waren - und fügte hinzu, daß diese
verwaltungstechnischen Pflichten zwar im 'weitesten Sinne' ausgelegt werden
sollten. - Eine der verwaltungstechnischen Aufgaben Blobels war die Leitung von
Exekutionen. Die Geschichte wird ihm Dank schuldig sein für seinen maßgebenden
Bericht über Massenexekutionen vom Standpunkt der Mentalität und der
Philosophie von Mörder und Gemordeten. Also er wurde während des Prozesses
gefragt, ob die dem Untergang Geweihten, als sie zu den wartenden Gräbern
geführt wurden, jemals zu entfliehen versuchten, bevor die Schüsse fielen. Er
erwiderte, daß es keinen Widerstand gab, und daß ihn das sehr überraschte. Dann
entwickelte sich das folgende Verhör:
'F: Sie wollen damit sagen, daß sie
sich schnell damit abfanden mit dem, was sie erwartete?
A: Das war also so bei denen, da galt
eben ein Menschenleben nichts gewissermaßen. Entweder hatten die Leute an sich
schon irgendwelche Erfahrungen oder sie erkannten ihren inneren Wert nicht.
F: Mit anderen Worten: Sie gingen ganz
glücklich in den Tod?
A: Ob sie glücklich waren, das vermag
ich nicht zu sagen. Sie wußten, was ihnen bevorstand, das ist ihnen eröffnet
worden, und sie haben sich in ihr Schicksal gefügt. Und das ist die
Eigentümlichkeit dieser Menschen da im Osten.
F: Und wurden die Aufgaben dadurch,
daß sie keinen Widerstand leisteten, für Sie leichter?
A: Ja, auf jeden Fall. Auf jeden Fall
haben die Wachmannschaften mit irgendwelchen Widerständen dort in Sokal nichts
zu tun gehabt. Das ist alles sehr ruhig verlaufen, es nahm nicht viel Zeit in
Anspruch. Ich muß sagen, daß unsere Männer, die daran teilgenommen haben, mehr
mit ihren Nerven runter waren als diejenigen, die dort erschossen werden
mußten.
F: Mit anderen Worten, Sie zeigten
mehr Mitleid für Ihre Männer, die die Opfer erschießen mußten, als für die
Opfer selbst?
A: Ja, also unsere Schützen mußten
betreut werden.'
"So war
der Mord auch noch von einer verbrecherischen Frechheit begleitet",
resümierte Richter Dixon: "Das Opfer wird als unmenschlich hingestellt,
während der Henker bemitleidet wird. - Der Ermordete ist schuldig und der
Mörder ist im Recht. Der Mensch, der alles hergeben muß - sein Leben -, ist ein
undankbarer Mensch und der Henker ist der Dulder. Für diese Menschen 'war ein
menschliches Leben nicht so wertvoll wie für uns'. Hier bemerken wir die
moralische Überlegenheit des Mörders über die Verworfenheit des Hingemordeten.
'Unsere Leute, die an den Exekutionen teilgenommen haben, waren mehr mit den
Nerven runter, als diejenigen, die dort erschossen werden mußten.' - Hier ist
die ganze Geschichte der einfachen 'verwaltungstechnischen Pflichten' eines der
Führer der Einsatzgruppen in einem Land, das nicht sein eigenes war, in
schlagender Weise symbolisiert." - Ein Zeuge habe berichtet, so Richter John
J. Speight am 8. April 1948, "wie eines Tages, als er und Blobel über Land
fuhren, Blobel ihn auf ein langes Grab aufmerksam machte und sagte: 'Hier sind
meine Juden beerdigt.' Man kann daraus nur schließen, daß Blobel auf das, was
er getan hatte, stolz war. 'Hier sind meine Juden beerdigt.' Genauso wie jemand
von dem Wild spricht, das er im Walde geschossen
hat."
"Geld,
Wertsachen, Wäsche und Kleidungsstücke wurden sichergestellt und zum Teil der NSV
zur Ausrüstung der Volksdeutschen, zum Teil der kommissarischen Stadtverwaltung
zur Überlassung an bedürftige Bevölkerung übergeben", heißt es in der
Ereignismeldung Nr. 106 vom 7. Oktober 1941:
"Die Aktion ist reibungslos
verlaufen. Irgendwelche Zwischenfälle haben sich nicht ergeben. Die gegen die
Juden durchgeführte 'Umsiedlungsmaßnahme' hat durchaus die Zustimmung der
Bevölkerung gefunden. Daß die Juden tatsächlich liquidiert wurden, ist bisher
kaum bekanntgeworden, würde auch nach den bisherigen Erfahrungen kaum auf
Ablehnung stoßen. Von der Wehrmacht wurden die durchgeführten Maßnahmen
ebenfalls gutgeheißen. Die noch nicht erfaßten bzw. nach und nach in die Stadt
zurückkehrenden geflüchteten Juden werden von Fall zu Fall entsprechend
behandelt."
"Die
Obdachlosen (des Stadtbrandes, ERW) sollen größtenteils in frei gewordenen
Judenwohnungen untergebracht worden sein", so der Bericht der Abteilung
VII der 454. Sicherungsdivision vom 2. Oktober 1941:
"Der Rest konnte am 1.10. gegen
Abend nach Aufhebung der im weiteren Umkreise des Brandherdes durchgeführten
Absperrung in seine Wohnungen zurückkehren, soweit diese noch brauchbar waren.
Die Einwohnerzahl wird auf etwa die
Hälfte des Normalstandes, also auf rund 400.000, geschätzt.
Die Juden der Stadt waren aufgefordert
worden, sich zwecks zahlenmäßiger Erfassung und zur Unterbringung in einem
Lager an bestimmter Stelle einzufinden. Es meldeten sich etwa 34.000
einschließlich der Frauen und Kinder. Alle wurden, nachdem sie ihre Wertsachen
und Kleidungsstücke hatten abgeben müssen, getötet, was mehrere Tage in
Anspruch nahm."
"'Die
Bevölkerung'", sagt ein Bericht laut Gerald Reitlinger, "'wußte kaum,
daß die Juden liquidiert wurden, aber die jüngsten Erfahrungen deuten darauf
hin, daß sie kaum Einwände erhoben hätte.' Die unter deutscher Aufsicht
erscheinende ukrainische Zeitung 'Krakiwski Visti' berichtete: 'Die Juden
marschierten in kleinen Gruppen nach einem unbekannten Bestimmungsort', aber es
ist zweifelhaft, ob irgend jemand durch derartige
Berichte hinters Licht geführt wurde." Ein Offizier der Auslandsabwehr
habe Admiral Canaris berichtet, daß trotz aller Anstrengungen des
Reichskommissars Erich Koch, das Massaker vor den ausländischen Korrespondenten
geheimzuhalten, diese ihm erzählt hätten, darüber genauestens Bescheid zu
wissen: "Ende Oktober aber muß jedermann in Kiew die Wahrheit gewußt
haben, denn der SD hatte einige der 139 Lastkraftwagenladungen mit Kleidung,
die man den Juden abgenommen und für die Volksdeutschen in der Ukraine bestimmt
hatte, an Arme in der Stadt verteilt."
"Drei
Tage nach der Exekution wurde die Schlucht zum Massengrab", schreiben
Heinz Artzt und Helmut Krausnick fast gleichlautend, indem eine Pioniereinheit
die Wände der Schlucht durch Sprengladungen zum Einsturz brachte - "die
Erdmassen bedeckten die Leichen nur notdürftig. Der Name Babi Yar wurde zum
Symbol für diese Massenmorde großen Stils, die Aktion zum schrecklichen
Höhepunkt in dieser ersten Phase der systematischen Vernichtung, denn weder
vorher noch nachher wurden von einem Einsatzkommando in so kurzer Zeit mehr als
dreißigtausend Menschen umgebracht." - "Kann es erstaunen", so
Helmut Krausnick, "wenn ein Angehöriger einer anderen deutschen
Dienststelle in der Ukraine von der Gesamtaktion der Einsatzgruppen sagte, sie
sei 'in der Massenhaftigkeit der Hinrichtungen so gigantisch wie bisher keine
in der Sowjetunion vorgenommene gleichartige Maßnahme'?"
…
Der
Stab der Einsatzgruppe C verblieb Helmut Krausnick zufolge vom 25. September
1941 bis Sommer 1942 in Kiew; auch das Sonderkommando 4a war seit 19. September
1941 zunächst in Kiew stationiert, wenn auch mit großem Aktionskreis. In ihrer
Ereignismeldung über ihre Tätigkeit in Kiew unter dem 12. Oktober 1941
berichtete die Einsatzgruppe C, "daß
das Sonderkommando 4a die Gesamtzahl von über 51.000 Exekutionen erreicht
habe".
Nach
Herbert A. Strauss wird die Zahl der in den ersten neun Monaten von den
Einsatzkommandos erschossenen jüdischen Männer, Frauen und Kinder jeden Alters
auf mindestens 700.000 geschätzt: "Diese
Zahl schließt eine Reihe anderer Ermordungen, auch durch die regulären Truppen,
die der Wehrmacht unterstellten kämpfenden Waffen-SS-Einheiten oder der
sogenannten höheren SS- und Polizeiführer nicht ein, etwa das Massaker an
33.771 Personen in Kiew Ende September 1941 oder das von rumänischen Truppen
verübte Massaker in Odessa Ende Oktober 1941, das schätzungsweise 60.000 Juden
das Leben kostete."
Nach David
S. Wyman gab der Generalbevollmächtigte des 'American Joint Distribution
Committee' für Osteuropa, S. Bertrand Jacobson, im März 1942 in New York einen
Bericht, der sich auf Augenzeugen stützte, und dabei schätzte er, daß die
Deutschen bis zu diesem Zeitpunkt allein in der Ukraine bereits 240.000 Juden
ermordet hatten: "Eine der
grausigsten Schilderungen, die bis dahin die USA erreicht hatten, stammte von
einem ungarischen Soldaten, der ein Massengrab bei Kiew gesehen hatte. (Die
'New York Times' enthielt ihren Lesern diesen Bericht vor.) 7.000 mit dem
Maschinengewehr niedergemähte Juden hatte man in ein flaches Massengrab
geworfen und mit einer dünnen Erdschicht bedeckt. Der Anblick dieses
Todesackers, der sich 'wie ein wogendes Meer hob und senkte', hatte sich in das
Gedächtnis des Soldaten eingebrannt." David S. Wymann zufolge dauerte
es jedoch bis Anfang Juli 1942, ehe das amerikanische State Department erstmals
eigene Erkundigungen über die Massaker an den Juden in Osteuropa eingezogen
habe: "Der US-Botschafter in
Schweden meldete nach Washington, daß die Nazis in den besetzten russischen
Gebieten mindestens 284.000 Juden getötet hätten." Ein estnischer
Offizier berichtete von Massenerschießungen im Baltikum; ein weiterer Zeuge
hatte ähnliche Massaker sowohl dort wie auch in Kiew erlebt.
Im Frühjahr
1942 wurde in Kiew ein Konzentrationslager errichtet bzw. ausgebaut, von den
Deutschen nach einem benachbarten Stadtteil Lager 'Siretz' genannt. Dort gab es
Hunderte von Gefangenen, Männer und Frauen, Juden, Russen, Ukrainer; Lagerchef
war der SS-Sturmbannführer (Major) Paul von Radomski, ein Killer und Sadist. -
Im August 1942 soll eine Kiewer Fußballmannschaft, in der auch Sportler des
berühmten Clubs 'Dynamo Kiew' mitspielten, nach Babij Jar gebracht worden sein,
nachdem diese verschiedene deutsche Soldatenmannschaften besiegt hatte. Belegt
erscheinen die Namen der Fußballspieler Nikolai Drusjewitsch, Iwan Kusmenko und
Leonid (?) Klimenko, für die auf dem Gelände des Stadions von 'Dynamo Kiew' ein
Denkmal errichtet wurde.
"Der Angeklagte
Blobel erklärte in einer vom 18. Juni 1947 datierten eidesstattlichen
Erklärung", so
Richter Speight am 8. April 1948 in Nürnberg, "daß er im Juni 1942 von Gruppenführer Müller mit der Aufgabe
betraut wurde, die Spuren der von den Einsatzgruppen im Osten durchgeführten
Exekutionen zu entfernen. Er überläßt nichts der Einbildungskraft:
'Bei meinem Besuch im August
besichtigte ich selbst die Verbrennungen von Leichen in einem Massengrab bei
Kiew.
Dieses Grab war ungefähr 55 m lang, 3
m breit und 2½ m tief. Nachdem die Decke abgehoben worden war, wurden die
Leichen mit Brennstoff bedeckt und angezündet.
Es dauerte ungefähr zwei Tage, bis das
Grab bis zum Boden durchgeglüht war. Danach wurde das Grab zugeworfen, und alle
Spuren waren damit so gut wie verwischt.
Wegen des Anrückens der Front war es
nicht möglich, die weiter im Süden und Osten befindlichen Massengräber, die von
Exekutionen der Einsatzgruppen herrührten, zu zerstören.'
So eifrig war Blobel - anscheinend
befehlsgemäß - darauf bedacht, alles belastende Beweismaterial über die
Tötungen zu vernichten, daß er sogar versuchte, die Leichen mittels Dynamit zu
zerstören. Rudolf Höss, der Kommandant des Auschwitzer Konzentrationslagers,
der diese Versuche überwachte, erklärte, daß die Methode mit Dynamit nicht
erfolgreich war.
'Blobel hatte verschiedene behelfsmäßige
Öfen aufbauen lassen und verbrannte mit Holz und Bezinrückständen.
Er versuchte, mit Sprengungen die
Leichen zu vernichten, dies gelang aber nur sehr unvollständig.'
Deshalb wurden andere Mittel benützt:
'Die Asche wurde in dem ausgedehnten
Waldgelände verstreut, zuvor durch eine Knochenmühle zu Staub zermahlen. Staf.
Blobel war beauftragt, alle Massengräber im gesamten Ostraum ausfindig zu
machen und zu beseitigen... Die Arbeiten selbst wurden durch Judenkommandos
durchgeführt, die nach Beendigung eines Abschnitts erschossen wurden.
...'"
"Als
die Kriegslage für die deutschen Heere im Osten immer aussichtsloser wurde und
die Front der Roten Armee zurückzuweichen begann", schreibt Heinz Artzt,
"sann die SS darauf, wie die Spuren ihrer Vernichtungsaktionen, die
zahllosen Massengräber, beseitigt werden konnten. Zu diesem Zweck wurde unter
Leitung des SS-Standartenführers Paul Blobel, der schon bei den
Einsatzgruppen-Aktionen dabeigewesen war, ein Sonderkommando gebildet, das mit
der Durchführung dieses schauerlichen Unternehmens beauftragt wurde. ... Die
eigentliche Aktion, die nach einem Geschäftszeichen des
Reichssicherheitshauptamtes die Bezeichnung '1005' erhielt und dort dem Amt IV
unterstand, begann nach Ende der Frostperiode des Winters 1942/43 in den
russischen Gebieten und wurde im Sommer und Herbst auf das Generalgouvernement
ausgedehnt. ... Ein Angehöriger der Schutzpolizei hat im Oktober 1945 den
Ablauf einer solchen Aktion detailliert zu Protokoll gegeben, aber
nachträgliches Entsetzen über die Ungeheuerlichkeit des Geschehens klingt nicht
aus seinem Bericht. Darin heißt es: 'Jeder Häftling war an beiden Beinen
gefesselt mit einer 2-4 Meter langen Kette. Die Häftlinge waren gekleidet in
Zivilkleidung. - ... Die Leichenhaufen wurden nicht zu regelmäßigen Zeiten
angezündet, sondern immer, wenn ein oder mehrere Haufen fertig waren, bedeckt
mit Holz und getränkt mit Öl und Benzin. Die Häftlinge bekamen reichlich und
einigermaßen gutes Essen, und ich habe gesehen, wie sie einmal Schnaps bei der
Arbeit bekommen haben.'"
"Die
Häftlinge, die für 'einigermaßen gutes Essen' und 'einmal Schnaps' schließlich
mit ihrem Leben zahlten, mußten sich" Heinz Artzt zufolge "auf eine
Holzunterlage legen und wurden durch Genickschuß getötet. Ihre Leichen wurden
dann genauso verbrannt, wie es für die Aktionen, die sie hatten durchführen
müssen, entwickelt worden war. Das übrige 'Personal' der Sonderkommandos, Sipo-
und SD-Angehörige, veranstalteten oft nach der Beseitigung eines Massengrabes
und der Erschießung der Arbeitskräfte einen 'Kameradschaftsabend', denn so
wollte es der um die unerschütterliche ideologische Ausrichtung seiner Leute
stets besorgte Reichsführer-SS. In einer 'Exekutionsordnung' vom 6. Januar
1943 heißt es:
'Nach jeder Exekution sind die daran
beteiligten SS-Männer bzw. Beamte durch den Lagerkommandanten oder den von ihm
beauftragten SS-Führer über die Rechtmäßigkeit der Exekution aufzuklären und in
ihrer inneren Haltung so zu beeinflussen, daß sie keinen Schaden nehmen.
Hierbei ist die Notwendigkeit der Ausmerzung aller solcher Elemente im
Interesse der Volksgemeinschaft besonders hervorzuheben. Die Aufklärung ist in
wirklich kameradschaftlicher Weise vorzunehmen. Sie kann von Zeit zu Zeit in
Form eines kameradschaftlichen Beisammenseins erfolgen.'
Um sich von
dieser makabren Tätigkeit zu erholen, wurden die Angehörigen der
Sonderkommandos 1005 in besondere Erholungsheime der Sicherheitspolizei in
Grinizza und Zakopane geschickt. ..."
Noch ehe die
Sowjetunion die deutschen Eindringlinge zurückgetrieben hätte, schreibt Heinz
Höhne, habe sich Standartenführer Paul Blobel aufgemacht, um die Spuren der
Mörder zu verwischen: "An der Spitze eines Sondertrupps, der sich
'Kommando 1995' nannte, öffnete er die Massengräber der liquidierten Juden und
ließ die Leichen auf ölgetränkten Eisenrosten verbrennen, die übriggebliebenen
Knochenreste in Spezialmühlen zerhacken. Das Feuer der Leichenschänder
erleuchtete eine gespenstische Szene, letzter Akt eines pervertierten
Soldatentums, das in der Geschichte der Feldzüge und Kriege einmalig
dasteht." Für diese Aktionen wurden KZ-Häftlinge eingesetzt; die
SS-Aufseher nannten diese Gefangenen 'Leichen', und mit diesem Wort und ihrer
Nummer mußten sie sich sogar selbst bezeichnen. Den mit dieser gigantischen
Aufgabe befaßten Sonderkommandos war strengstes Stillschweigen auferlegt. Doch
nichts konnte verschwiegen werden, allein schon weil es jüdischen Häftlingen
gelang, diesen Sonderkommandos zu entfliehen. Nachdem die in Ketten
geschmiedeten Gefangenen etwa 100.000 Leichen ausgegraben und verbrannt hatten,
sollten sie zum zweiten Jahrestag des Massakers von Babij Jar ebenfalls
erschossen werden, versuchten alsdann am 30. September 1943 einen Ausbruch, 311
der Fliehenden wurden getötet, 14 erreichten Anfang November die Reihen der
Roten Armee, zwei von ihnen, Vladimir Davidov und David Budnik, berichteten der
Welt als Zeugen in Nürnberg 1946 über Babij Jar.
…
Kiew
war 779 Tage von deutschen Truppen besetzt. Als die Soldaten des Generals
Nikolai Watutin am 5. November 1943 die Stadt zurückeroberten, gab es dort
nurmehr rund 180.000 Einwohner: "Vier Fünftel waren umgekommen oder
deportiert worden. 1.000 Produktionsstätten und 6.000 Wohnhäuser, Kirchen und
historische Bauten lagen in Trümmern."
…
"Die
Deutsche Wehrmacht hinterließ im Osten ein ausgeplündertes, zerstörtes
Land", schreibt Rolf-Dieter Müller: "Das okkupierte sowjetische
Gebiet hatte nicht nur unter dem Prinzip 'Der Krieg ernährt den Krieg' zu
leiden gehabt, das hier in einem seit dem Dreißigjährigen Krieg wohl
einzigartigen Ausmaß praktiziert worden ist, sondern auch unter den Versuchen,
ein barbarisches Vernichtungs- und Kolonialisierungsprogramm zu verwirklichen.
Bei allem Leid, das Teilen der deutschen Bevölkerung nach dem Einmarsch der
Roten Armee widerfahren ist, nach Übergriffen, Vertreibungen und
Reparationsbeitreibungen, darf nicht vergessen werden, welches Unrecht und
welche Verbrechen zuvor von Deutschen begangen worden sind. Gerade die
einzigartige wirtschaftliche Zielsetzung des Unternehmens 'Barbarossa' und ihre
hemmungslose Durchführung verbieten jede Art von Aufrechnung."
…
Im
Oktober 1959 protestierte Viktor Nekrassov gegen das Schweigen, für ein Mahnmal
und gegen ein Sportstadion auf dem Gelände von Babij Jar. Besondere
Aufmerksamkeit erregte das am 19. September 1961 veröffentlichte Gedicht 'Babij
Jar' von Jewgenij Jewtuschenko. Dimitrij Schostakowitsch hat dieses Gedicht in
seiner 13. Symphonie vertont, die im Dezember 1962 erstmals aufgeführt wurde.
Jewgenij Jewtuschenko wurde heftig angegriffen und am 8. März 1963 sogar von
Nikita Chruschtschow öffentlich kritisiert. 1966 veröffentlichte Anatoli
Kusnezow seinen Dokumentarroman 'Babij Jar', vor allem unter Verwendung der
Aussagen von Dina Mironowna Pronitschewa. Später gab es eine Art Wettbewerb für
ein Babij-Jar-Mahnmal, das schließlich im Jahre 1976 nach einem Entwurf von
Michail Lysenko (mit V. Suchenko und O. Witrin) von den Architekten Anatoly
Ignaschtschenko, M. Ivantschenko und V. Ivantschenkov errichtet werden durfte.
Doch keine Inschrift erinnerte an das jüdische Martyrium, und erst später wurde
eine Gedenktafel in jiddischer Sprache angebracht (Umschlagfotos u. S. 17 u.
155).
Im
September 1991 fand in Kiew dann tatsächlich die erste große offizielle und
öffentliche Feier zum Gedenken an die Opfer von Babij Jar statt, 50 Jahre
danach gewiß nicht verfrüht, aber immerhin, und seither jedes Jahr. Inzwischen
gibt es auch ein zweites und jüdisches Mahnmal, eine riesige Menorah, und zwar
nahe am damaligen Ort des Geschehens (Umschlagtitelfoto).
Prof. Dr. Drs.h.c. Erhard Roy Wiehn M.A. a.D. (Universität Konstanz)
Fußnoten und Literaturangaben befinden sich im oben genannten Buch
Weiterhin aktuell sind die
folgenden von Erhard Roy Wiehn herausgegebenen Titel:
Zum Inhaltsverzeichnis der Edition / to the contents
of the edition Shoáh
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