Margit Bartfeld-Feller

 

Erinnerungswunde

Weitere Geschichten aus Czernowitz
und aus der sibirischen Verbannung
sowie Zeitungsbeiträge und Berichte

 

Vorwort von Sergij Osatschuk

Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn

1. Aufl. Konstanz 2007, 106 Seiten. € 14,80, ISBN 3-86628-151-X

 

 

 

 

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Sergij Osatschuk

Eine für uns von Gott gerettete Berichterstatterin

Das Czernowitz der Vorkriegszeit ähnelt einem Planeten, der aus dem Orbit abgesprungen ist, um für immer nicht ganz enträtselt, erforscht, verstanden zu bleiben. Ereignisse und Erscheinungen, aber vor allem JENE Einwohner JENES Planeten erwecken bei den zeitgenössischen Czernowitzern eine Begeisterung mit vielen Fragezeichen in den Augen.

Kein Historiker in der umfangreichsten Dissertation, kein Journalist in den ausführlichsten Berichten wird über JENE Stadt und JENE Czernowitzer die ganze Wahrheit wissen, begreifen, wie es wirklich war. Denn um auf eine Wahrheit Anspruch zu erheben, mußte man mit ihr DAMALS gelebt und sie sogar überlebt haben. Die größte emotioneile Annäherung an den verlorenen Planeten Cz...tZ kann man heute noch bei der Entdeckung Zeitzeugnisse erle­ben, welche uns die der ganzen Welt zerstreuten einzelnen Einwohner JENES Czernowitz liefern, indem wir uns in ihre Erzählungen hineinhorchen, in ihre Erinnerungen hineinlesen.

Nachdem Zusammenbruch des Sowjetimperiums, zu dem das Czernowitz der Nachkriegszeit gehörte, öffneten sich nicht nur die Grenzen, es öffneten sich die Seelen der Czernowitzer von JENER und DIESER Zeit. Es begann die neue Ära der Wiederentdeckung und des Zusammenfindens von Wissens­hungrigen und Erzählungsdurstigen. Aus aller Herren Länder strömten die ein­stigen Einwohner dieser Stadt wieder zu ihr, doch die meisten nur, um festzu­stellen: "Czernowitz ist nicht (mehr) existent!" Sie sahen nur die alterhaltene Kulisse, die Menschen von heute wurden häufig übersehen.

Aber der Wunsch und die Bereitschaft der neuen Czernowitzer, ihre einst verbotene und tabuisierte vielfältige Geschichte zu entdecken, hat zum Glück auch zu Begegnungen einer ganz anderen Art geführt. Durch Gottes Fügung trafen auf einander Czernowitzer von einst und jetzt, die ungeachtet der Al­tersunterschiede sofort das Gefühl der inneren Verbundenheit und der Pflicht­erfüllung spürten: der Pflicht zu fragen und der Pflicht zu berichten. Denn die Suche nach der Wahrheit von JENEM Czernowitz geht durch das Herz und die Seele JENER Planetbewohner, die heute als Weisen das Geheimnis unserer gemeinsamen Heimatstadt in sich tragen und bewahren.

Die wahre Überraschung aus einer Unmenge positiver und vielfältiger Kul­turgeschichte von Czernowitz bis 1940 nach jahrzehntelangem Verschweigen und Verleugnen unter dem Sowjetregime provozierte unter den zeitgenössi­schen Czernowitzer in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Tendenz zur Glorifizierung und Verklärung der Zeit VOR dem Krieg. Daher ist es äußerst wichtig, aus der Feder einer Czernowitzerin über die Lebens Verhältnisse und gesellschaftlichen Kommunikationsformen in den bürgerlichen Kreisen der Stadt von damals in allen Farben und auch in ihrer subjektiven Reflexion heute zu lesen.

Das stärkste und wichtigste Gefühl nach dem Lesen von Margits Lebensauf­zeichnungen bleibt der Eindruck der eigenen Zugehörigkeit zu JENER meiner Stadt, welche sich im unaufhaltsamen Wunsch der Neuentdeckung von ihr er­wähnter und beschriebener Stadtviertel, Straßen und Innenhöfe verwandelt. Das Gefühl der Zugehörigkeit beschränkt sich aber nicht nur auf die Vor­kriegszeit, vielmehr wächst es und breitet sich aus, wenn man zahlreiche Kapi­tel aus der politischen sibirischen Verbannung der Czernowitzer Familie in den Nachkriegsjahrzehnten liest. Fast 3000 Czernowitzer aller Nationalitäten und Glaubensbekenntnisse fielen der letzten politischen Säuberung der Stadt unmit­telbar vor dem Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges am 13. Juni 1941 zum Opfer. Darunter auch die Czernowitzer Familie Bartfeld.

Blitzartig mußte sie ihre bürgerliche Wohnung und ihre österreichisch ge­prägte Stadt gegen eine Erdhölle im sibirischen Winterwald tauschen. Diese tragischen Seiten aus dem Leben und Überleben in den Verhältnissen des echolosen stalinistischen Terrors klingen heute wie eine Mahnung an alle die-JENIGEN, die noch heute dem alten Roten Imperium nachtrauen. Es wird nie genug sein, darüber zu schreiben, das Ausmaß der kommunistischen Verbre­chen ist gewaltig, die Menschen, die es überlebt haben müssen darüber laut­stark erzählen.

Margit Bartfeld-Feller ist eine für uns von Gott gerettete und begabte Be­richterstatterin über Alt-Czernowitz. Sie ist nicht die einzige, die es tut, auch nicht die einzige, die über die sowjetische Zeit Auskunft erteilt, aber sie ist die einzige, die noch heute im Czernowitz des 21. Jahrhunderts, in der Stadt ihrer Jugend, beeindruckende Wiederentdeckungen mit ihrer kleinen Heimat erlebt und sie so meisterhaft, lebendig und farbig in ihren Texten wiedergibt.

Das stärkste Gefühl bleibt ... die Zugehörigkeit.

Černivci, im Juli 2007

Dr. Sergij Osatschuk ist Historiker am Bukowina-Forschungszentrum der Universität Cernivci (Czernowitz), Ukraine.

 

 

 

Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn (Herausgeber)

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Schwarz,
wie die Erinnerungswunde,
wühlen die Augen nach dir
in dem von Herzzähnen hell­
gebissenen Kronland,
das uns Bett bleibt:
(...)
Paul Celan3

"Es ist doch kaum zu fassen", schrieb Peter Rychlo, Freund und Literaturwis­senschaftler an der Universität Černivci (Czernowitz),4 in seinem Vorwort "Chronik einer lebenslangen Sibiriade" zu Margit Bartfeld-Fellers Unverloren  (Konstanz 2005), "was diese zarte, schlanke Frau in ihrem Leben durchgemacht hatte. Als Tochter einer kleinbürgerlichen jüdischen Familie geboren, hatte sie eine schöne und geborgene Kindheit in Czernowitz verbracht. ... Nichts kündigte eine jähe Änderung dieses stabilen Zustandes an, obschon der rumänische Antisemitismus immer zügelloser wurde und die sogenannte 'Eiserne Garde'5 die deutschen NS-Sturmeinheiten kräftig nachahmte."6

Dann aber brach infolge des Hitler-Stalin- bzw. Ribbentrop-Molotow-Paktes (28. September 1939) 1940/41 das sogenannte "Russenjahr" herein, die Rote Armee besetzte die Nordbukowina samt Czernowitz, und am 13. Juni 194l7 (2007 vor 66 Jahren) wurden ca. 4.000 "Volksfeinde"8 - vor allem Juden - in Viehwaggons nach Sibirien deportiert, darunter auch Familie Bartfeld mit der 18-jährigen Margit und ihrem 10-jährigen Bruder Otti. Der Vater erlitt bereits im ersten Jahr den Hungertod in einem völlig entlegenen "Todesnest" nördlich von Tomsk, wo alle Deportierten härteste Zwangsarbeit leisten mußten, vor allem im sibirischen Urwald.

"Gab es hier überhaupt eine Chance zu überleben?", fragte Peter Rychlo und fand: "Margit Bartfeld-Feller hat Unmögliches vollbracht. Sie hat nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Mutter und ihren jüngeren Bruder retten können (...). Sie hat dann aber noch etwas sehr Wichtiges getan - nämlich diese schreckliche Leiderfahrung in ihren Büchern ausführlich und eindrucksvoll beschrieben. Diese Zeugnisse haben wir alle gebraucht, - um zu erfahren, zu welchem Grad der Unmenschlichkeit verbrecherische Herrscher kommen können, um ihre Macht sichergestellt zu wissen; welche heuchlerischen Mittel verwendet wurden, um die menschliche Würde zu zertreten; wie Gesetz, Recht und Moral verletzt wurden, um eine falsche und illusorische Idee auf Kosten von Millionen menschlicher Leben durch-zusetzen."9

3 Klaus Werner (Hg.), Fäden ins Nichts gespannt. Frankfurt/M. 1991, S.7.

4  PetervRychlo, Die verlorene Harfe - Eine Anthologie deutschsprachiger Lyrik der Buko­
wina. Cernivci 2002; ders.(Hg.), Europa erlesen - Czernowitz. Klagenfurt/Celovec 2004.

5  Antisemitische, faschistische, ultranationalistische Organisation in Rumänien von 1927 bis
zum Zweiten Weltkrieg.

6  In: Margit Bartfeld-Feller, Unverloren - Weitere Geschichten aus Czernowitz und aus der
sibirischen Verbannung. Konstanz 2005. S. 9/10.

7  Nur kurze Zeit später - im Juli 1941 - rückten deutsche und rumänische Truppen in Czer­
nowitz ein, womit für die Juden erst recht eine schreckliche Zeit begann.

8  Sassona Dachlika, "Volksfeinde" - Von Czernowitz durch Sibirien nach Israel. Eine Er­
zählung. Konstanz 2002.

9  Peter Rychlo, a.a.O., S. 11

 

Weitere Titel von Margit Bartfeld-Feller und über Czernowitz

 

Margit Bartfeld-Feller, Am östlichen Fenster
Gesammelte Geschichten aus Czernowitz und
aus der sibirischen Verbannung. 
2002, 270 Seiten, 30,95 €. ISBN 3-89649-672-7

 

Margit Bartfeld-Feller, Nicht ins Nichts gespannt
Von Czernowitz nach Sibirien deportiert. Jüdische Schicksale 1941-1990.
1998, 108 Seiten, 12,68 €. ISBN 3-89649-327-2

 

Margit Bartfeld-Feller, Wie aus ganz andern Welten
Erinnerungen an Czernowitz und die sibirische Verbannung.
2000, 72 Seiten, 11,25 €. ISBN 3-89649-527-5

 

Margit Bartfeld-Feller, Unverloren.
Weitere Geschichten aus Czernowitz und
aus der sibirischen Verbannung.
2005, 102 Seiten, 14,80 €. ISBN 3-89649-926-2

 

Sidi Gross, Zeitzeugin sein. Geschichten aus Czernowitz und Israel.
2005, 108 Seiten, 14,80 €. ISBN 3-86628-016-5

 

Sassona Dachlika, "Volksfeinde".
Von Czernowitz durch Sibirien nach Israel. Eine Erzählung.
2002, 140 Seiten, 22,00 €. ISBN 3-89649-802-9

 

Emil Wenkert, Czernowitzer Schicksale
Vom Ghetto nach Transnistrien deportiert. Jüdische Schicksale 1941-1944.
2001, 36 Seiten, 12,50 €. ISBN 3-89649-675-1

 

Jacob Melzer, Jankos Reise,
Von Czernowitz durch die transnistrische Verbannung nach Israel 1941 - 1946.
2001, 222 S., 22,70 €. ISBN 3-89649-674-3

 

Franka Kühn, Dr. Eduard Reiss
Der erste jüdische Bürgermeister von Czernowitz 1905-1907.
2004, 81 Seiten, 13,80 €. ISBN 3-89649-891-6

 

Jewgenija Finkel u. Markus Winkler, Juden aus Czernowitz
Ghetto, Deportation, Vernichtung 1941-1944. Überlebende berichten.
2004, 124 Seiten, 16,80 €. ISBN 3-89649-892-4

 

Josef Norbert Rudel, Honigsüß und gallenbitter.
Aus dem Leben eines Czernowitzers.
2006, 60 S., € 14,80. ISBN 3-89649-049-1

 

Sidi Gross,
Überlebt und weitergelebt
Weitere Geschichten aus Israel und Czernowitz
sowie Rezensionen.
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
2007. 138 Seiten, EUR 14,80. ISBN 3-86628-142-0

Margit Bartfeld-Feller,
Aschenblumen.
Eine Fotodokumentation aus Czernowitz sowie
von der sibirischen Verbannung und danach.
(Deutsch u. russisch)
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
1. Aufl. 2008, 314 Seiten, 24,80 €. ISBN 3-86628-187-0

 

Sidi Kassner

Sibirische Erinnerungen.
Von Czernowitz nach Sibirien deportiert
und ein neues Leben in Israel 1941-1967.
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn

November 2008, 74 Seiten. EUR 14,80. ISBN 3-86628-199-4

 

Lotti Kahana-Aufleger

Jahre des Kummers überlebt
Czernowitz und die transnistrische Verbannung 1939-1950

Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
1. Auflage
2009; 132 Seiten, EUR 14,80. ISBN 3-86628-266-4

 

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