Beschreibung: 3866280394

Richard Moschkowitz,

Ich nenn mich einen "deutschen Dichter".

Von Bielitz-Bielsko durch Sibirien nach Buchara.
Verse und Zeichnungen.
Bearbeitet von Lea Belz.
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn.
2005, 106 Seiten. EUR 14,80.
ISBN 3-86628-039-4

Rezension in DAVID, Jüdische Kulturzeitschrift Nr. 69, Juni 2006

 

In einer posthumen Veröffentlichung liegen nun auf Betreiben von Familienangehörigen und Freunden zum ersten Mal die Gedichte und Zeichnungen Richard Moschkowitz' vor. Moschkowitz, geboren 1884 in Bielitz, wurde 1940 nach Sibirien deportiert, die Familie konnte allerdings noch im selben Jahr nach Bucharal Usbekistan umziehen und kehrte ein Jahr nach Kriegsende nach Polen zurück, bevor sie 1949 nach Melbourne / Australien emigrierte.

Die Texte und Zeichnungen Moschkowitz' geben Aufschluss über Zeit, Orte und Umstände seiner Deportation und Emigration und spiegeln im individuellen, künstlerischen Ausdruck die Erlebnisse des Einzelnen stellvertretend für Millionen wider. Dass dabei die Qualität der lyrischen Texte stark schwankt und diese in Anlehnung an Heine'sche Versmaße bis hin zur Gelegenheitsdichtung nicht immer einem sauberen Reimschema folgen, bleibt eher zweitrangig. Richard Moschkowitz verfolgte mit seinen Werken ein Ziel: Das Überleben des Ichs durch den Rückzug in die Kreativität. Dass ihm dies gelang, zeigt die nun vorliegende Ausgabe. Neben  Buntstiftzeichnungen bildet dieser Band auch Faksimiles der Gedichte sowie zahlreiche Fotodokumente zur Familiengeschichte von Richard Moschkowitz ab und liefert Erläuterungen zu lexikalischen Besonderheiten der Texte. (Susanne Falk)

 

Rezension in BEITRÄGE PÄDAGOGISCHER ARBEIT, Gemeinschaft Evangelischer Erzieher in Baden
49. Jahrgang, 2006, Heft II

 

„Erinnern heißt leben“, lautet der Titel eines Dokumentarfilmes der Achtzigerjahre. Lea Belz verleiht mit dieser Sammlung von Gedichten, Zeichnungen und Fotos einem deutschsprachigen jüdischen Emigrations-Dichter Leben. Einige als Faksimile wiedergegebene Texte lassen auch seine ausgesprochen schöne Handschrift erkennen. Ob es um das Problem des Schreibens in der „Sprache der Mörder“ oder um die Beobachtung und Beschreibung von Ereignissen und Zuständen in der Heimat und im Exil geht, zeichnen sich diese Gedichte durch unbestechliche Klarheit aus. Er beklagt die Verzerrung seiner Muttersprache durch den Jargon des Naziregimes: „Das deutsche Wort im deutschen Lande / hat die vertierte, rohe Bande / entehrt, geknebelt und entweiht“; er folgert daraus: „Zu Stahl und Eisen ist erstarrt  / die Welt, drum sei der Vers auch hart.“

Gesellschaftskritisch nimmt er den Offiziersgeist in der alten Donaumonarchie ebenso aufs Korn wie neue lyrische Tendenzen. Die Liebesgedichte sind voll zarter Sehnsucht, voll bissigem Spott die Gedichte über Hitler und sein „tausendjähriges Reich“ samt seinen willigen, geflissentlichen Helfern, „die heidnischen Horden, die grundlos die Ärmsten der Armen ermorden“. Dies alles beobachtete und kommentierte er im Exil, auch die Arbeit derer, die ihre eigenen Gräber schaufeln müssen.

Das Leben heimatloser Juden in Buchara nach sibirischen Lagern wird gerade im Unterschied zur einheimischen usbekischen Bevölkerung anschaulich beschrieben, zusammengefasst in den Versen über seine Unfähigkeit, in solchen Situationen ein Gedicht zu schreiben. „Zerstört denn Leid den Geist? / Wird wahrer Dichtergeist zerstört, / den sonst das Leid noch speist?“ In gestochen scharfer Schrift gibt das Gedicht „Asiatische Nächte“ stimmungsvolle Eindrücke wieder. Seine Gedichte über seine vielfältigen Betätigungen als Dichter, Maler, Holzhacker und Viehhirt sind von wehmütigem Humor durchzogen. Erschütternd ist ein Gedicht aus dem Januar 1945, in dem er gesteht, keine Zukunftshoffnung mehr zu haben, lediglich Rache an „Hitlers Mörderland“ zu üben. Selbst die einst geliebte deutsche Sprache ist ihm verleidet. Hitlers Tod kommentiert er, „zu spät hat sich ein Mörder selbst getötet – bis zu den Wolken reicht der Leichen Berg!“. Bis April 1946 reichen seine Gedichte aus Buchara, vom November 1946 stammt sein Gedicht aus der Heimat in Bielsko. Eines der letzten Gedichte dieses Büchleins drückt die Hoffnung aus: „Bis Deutsche meine Verse lesen / und gerne lesen, ohne Hass, / dann ist das deutsche Volk genesen, / der Hitlerwahn verweht, gewesen …“

Diese Sammlung bietet uns die Möglichkeit, die Probe aufs Exempel zu machen! (Dr. Hans Maaß)

 

Die Erinnerungen von Richard Moschkowitz ergänzen unsere Bücher über jüdische Schicksale aus der Sowjetunion / Ukraine, die von Erhard Roy Wiehn herausgegeben wurden:

Bücher über Czernowitz

Dawid Budnik/Jakow Kaper,
Nichts ist vergessen/Nothing is forgotten -
Jüdische Schicksale in Kiew/Jewish Fate in Kiev 1941-1943. (Deutsch, englisch, russisch)
Kiew u. Konstanz 1993, 317 Seiten, € 8,18. ISBN 3-89191-666-3

Bronia Davidson-Rosenblatt,
Keine Zeit für Abschied -
Von Polen durch den Ural nach
Samarkand und zurück bis Amsterdam.
Jüdische Schicksale 1933-1956.
2000, 102 Seiten, € 14, 32. ISBN 3-89649-528-3

Brigitte Pimpl, Zu sayn a Mentsch - Mensch sein. Die Geschichte einer Frau.
2000, Seiten, € 9,20. ISBN 3-89191-253-5 (dieser Titel wurde nicht von Professor Dr. Wiehn bearbeitet)
Elke Bredereck, Menschen jüdischer Herkunft - Selbstbilder aus St. Petersburg, Vilnius und Berlin.
2004, 160 Seiten, 14,80 €. ISBN 3-89649-882-7

 

Beschreibung: 389191816X

 

 

 

Brigitte Pimpl u. Erhard Roy Wiehn (Hg.)

Was für eine Welt
Jüdische Kindheit und Jugend in Europa 1933-1945.
Ein Lesebuch.
1995, 171 Seiten, € 14,32. ISBN 3-89191-816-X

 

 

 

Außerhalb der Herausgeberschaft von Erhard Roy Wiehn, aber zum Thema gehörend:

Moshe Schwarz,
Versteinertes Herz.
Ein jüdisches Überlebensschicksal aus Buczacz/Polen
unter dem Naziregime und in Israel 1936 bis 2004.
Aus dem Hebräischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Elisa Schmidt-Steinwender
2005, 70 Seiten; € 14,80. ISBN 3-89649-974-2

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